Jogginghose in der Oper? Geht gar nicht! Oder doch? Denn eigentlich sollte es beim Konzert- oder Opernbesuch um Kunst und nicht um Klamotten gehen. Findet jedenfalls unser Autor.
Bildquelle: dpa-Bildfunk/Evan Agostini
Herzklopfen: Endlich wieder in die Oper! Im nächsten Moment: Herzrasen – was zieh ich bloß an?! Ach, ist doch Jacke wie Hose!
Schön wär's – denn ganz so einfach ist das dann doch nicht: Wehe, du steigst in München im Schlabberlook aus der Straßenbahn und die Stiege zur Hochkultur empor! Wobei eins gesagt werden muss: Das Opernpublikum ist nochmal pingeliger als das Konzert- oder Theaterpublikum.
Ich komme aus der Theaterwelt – und wer mal am Theater gearbeitet hat, geht da nicht aufgedonnert hin, so als wenn man gleich der Queen herself gegenübertritt. Das Theater wird zum zweiten Zuhause. Und in meinen eigenen vier Wänden lauf ich ja auch nicht in Abendgarderobe herum. Außerdem: Weil die Arbeitsklamotte am Theater eh normalerweise schwarz ist, bin ich damit neutral angezogen und falle auch erstmal gar nicht auf. Aber in der Oper … da kannst du dich nicht einfach "nur" für ein lockeres schwarzes Hemd, schwarze Sneaker und eine Baggy-Jeans entscheiden. Missbilligende Blicke vorprogrammiert!
Natürlich macht es auch mal Spaß, sich schick zu machen. Gerade seit Corona ist ein Opernbesuch doch eher selten, und da hab auch ich mal die Fliege rausgekramt. Und dennoch: Wenn ich in einem Leben nach der Pandemie einfach wieder in die Oper gehe, will ich mir keine allzu großen Gedanken darüber machen müssen, wie ich aussehe. Ich will ja etwas sehen – und zwar nicht die Klunker von Madame aus Reihe drei, sondern: die Kunst.
Und noch etwas stößt mir bei der Verbindung Hochkultur und Dresscode sauer auf: Dass elitäre Schranken bestehen bleiben. Kleiderregeln wie aus einem anderen Jahrhundert – das kann auf jeden Fall abschrecken. Wann bin ich underdressed, wann bin ich overdressed? Und was denkt eigentlich die Diva auf der Bühne, wenn ich da in meinem Kapuzenpulli sitze? Wahrscheinlich – um ehrlich zu sein – nichts … wenn sie mich überhaupt sieht.
Dass wir uns richtig verstehen, Madame aus Reihe drei: Sie dürfen Ihre Klunker gerne weiter in die Oper ausführen, und Ihr Ehegatte soll einen Grund haben, den Smoking mal wieder zu entstauben. Jede und jeder soll eben das anziehen, in dem sie oder er sich wohlfühlt. Bestes Beispiel: Die Met Gala in New York, wo Popsängerin Billie Eilish im apricot-farbenen Abendkleid den roten Teppich betrat, oder sich Rapper ASAP Rocky, eingemummelt in eine bunte Riesenkuscheldecke, von den Teenies feiern ließ. Und ja: Teenager sind bei weitem toleranter, als wir alle zusammen. Seien wir auch tolerant ihnen gegenüber und zeigen ihnen, wie toll es ist, Spitzenorchester oder Opernstars LIVE zu erleben – egal in welchem Outfit. Und wer weiß, vielleicht haben sie dann ja auch irgendwann Lust, sich in Schale zu werfen. Denn wie der Monaco Franze schon wusste:
A bissel was geht immer.
Sendung: "Allegro" am 28. Januar 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-Klassik
Kommentare (2)
Sonntag, 30.Januar, 17:47 Uhr
Black Tie
Ich verstehe nicht, wo das Problem liegt. Wenn der Autor in Alltagskleidung in die Oper gehen will, dann kann er das doch tun. Die durchschnittliche Kleidung in der Oper ist inzwischen (und nach meinem Empfinden ganz besonders seit Corona) deutlich legerer geworden. Das gilt auch für die Bayerische Staatsoper. Deren Publikum ist sicher immer noch formeller gekleidet als das kleinerer Häuser, aber auch hier wird immer öfter die Krawatte weggelassen oder der Anzug durch eine Kombination ersetzt. Jeans und Pullover sind zwar weiterhin die Ausnahme, aber niemandem wird deshalb der Eintritt verwehrt (Zitat von der Homepage: „[…] wir freuen uns über außergewöhnliche Outfits ebenso wie über Jeans und gemütliche Jumpsuits.“). Aber in der Oper, gerade im Nationaltheater, fällt man in relativ legerer Kleidung halt immer noch auf und genau das scheint das Problem zu sein. Aber da muß der Autor halt durch. Wenn sich die große Mehrheit schick machen will, dann muß er das akzeptieren.
Freitag, 28.Januar, 10:56 Uhr
Gufo
Kleider machen Leute
Die insgesamt gesehen bestgekleideten Menschen in der Oper sind die Damen und Herren im Orchestergraben. Ein gut gekleidetes Publikum ist auch ein Zeichen der Wertschätzung dem Orchester und den Sängern und Sängerinnen gegenüber.In einer Zeit, die den Sinn für Schönheit und Eleganz verloren hat, sollte es zumindest noch Orte geben, an denen gepflegtes Aussehen eine Daseinsberechtigung hat.