BR-KLASSIK

Zehn Jahre lang war Frithjof von Bodungen der Chauffeur der Pianistin Elly Ney. Im Auto unterhielt sie sich mit ihm über Gott und die Welt, ihre Musik und ihr Privatleben. Mit einem Mikrofon am Rückspiegel schnitt von Bodungen die Gespräche mit. Die einzigartige Tonbandaufzeichnung sendet BR-KLASSIK zu ihrem 50. Todestag am 31. März.

Ein Mikrofon pendelt am Rückspiegel, auf der Rückbank des Wagens steht das dazugehörige Tonbandgerät. Die Installation hat sich Frithjof von Bodungen einfallen lassen. Er arbeitet für die Pianistin Elly Ney als Chauffeur. Und weil die Grande Dame des Pianos so wunderbar erzählt, wenn sie zusammen im Auto fahren, hat er sie einfach gefragt, ob er nicht mitschneiden dürfe. Elly Ney hat nichts dagegen.

Frithjof von Bodungen und Autor Axel Fuhrmann | Bildquelle: DokFabrik Frithjof von Bodungen ist 22 Jahre alt, als er 1958 die über 50 Jahre ältere Pianistin kennenlernt - und ihr Chauffeur wird. Aber er ist viel mehr als das: Er ist ihr Vertrauter. Mit ihm verbringt Elly Ney mehr Zeit als mit ihren engsten Verwandten, er begleitet sie auf ihren Konzerttourneen bis zu ihrem Tod 1968. 18 Stunden Tonbandaufnahmen sind aus dieser Zeit übriggeblieben, die von Bodungen in seinem Haus am Starnberger See wie einen Schatz hütet. Für Axel Fuhrmann und sein Radiofeature über Elly Ney hat der Ex-Chauffeur sein privates Tonarchiv erstmals geöffnet.

Elly Ney ist ein Mythos. Die einen verehren sie als "Hohepriesterin Beethovens", für die anderen ist sie "Hitlers Pianistin". Wie auch Leni Riefenstahl oder Winifred Wagner ließ sie sich von der Naziideologie verführen, wurde eine willige Helferin und Profiteurin des Hitler-Regimes. Unter den Nazis leitete sie die Bonner Beethovenfeste, wurde Professorin am Salzburger Mozarteum und gab zahlreiche Truppenkonzerte. Bis heute gilt Elly Ney als vielleicht umstrittenste Pianistin des 20. Jahrhunderts.

Das Radiofeature von Axel Fuhrmann erlaubt einen intimen Blick auf den Menschen Elly Ney. Aus der Perspektive des stummen Beifahrers lässt es teilhaben an ihren Fahrten von Konzert zu Konzert und zeigt dabei eine betagte Pianistin, die die Musik Beethovens immer wieder aufs Neue durchdenkt. Es lässt teilhaben an ihren Gedanken über die eigene Vergangenheit und das Nazi-Regime. Und es ermöglicht eine private Begegnung mit einer leidenschaftlichen, sensiblen, oft auch einsamen Frau, die sich bis ins hohe Alter Höchstleistungen abverlangt.