Fernambuk ist die Zauberformel im Bogenbau. Seit 200 Jahren werden hochwertige Streicherbögen aus diesem Holz gefertigt, das nur in Brasilien wächst. Doch viel gibt es nicht mehr davon. Deshalb will Brasilien das Fernambukholz jetzt auf einen strengeren Artenschutzindex setzen. Das käme einem Handelsverbot gleich und hätte gravierende Auswirkungen auf die Musikwelt.
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Streicherbögen aus Fernambuk
Bedroht von Verschärfung des Artenschutzgesetzes
"Der Bogen kann tatsächlich das Timbre des Instrumentes beeinflussen" sagt Anne-Sophie Mutter. "Er kann ein Instrument heller, silbriger klingen lassen und eben auch dunkler." Die Qualität des Bogens sei entscheidend für den Klang, verrät die Geigerin BR-KLASSIK in einem Interview: "Die Stange muss sehr viel Druck aushalten vom Arm, aber auch biegsam und elastisch sein."
Das Holz, das diese Anforderungen perfekt erfüllt, ist Fernambuk. Warum, erklärt der Bogenmacher Thomas Gerbeth aus Wien: "Dieses Holz hat eine sehr hohe Steifigkeit, viel höher als alle europäischen Hölzer. Und es hat auch eine dazu passende Dichte." Für Musiker sei diese Kombination ideal. "Und es hat eine Eigenschaft, die nahezu kein anderes Holz hat: Wenn wir mit trockener Hitze die Stange erwärmen und eine Biegung beigeben, bleibt diese Biegung bis zu einem Zeitraum von 200 Jahren erhalten." Die konkave Biegung des modernen Streichbogens ist für die Tonproduktion sehr wichtig. Etabliert hat das Fernambukholz im Bogenbau der berühmte französische Bogenbauer François Xavier Tourte Ende des 18. Jahrhunderts. Er löste damals eine wahre Revolution aus! Zuvor war das rötliche Fernambukholz in Europa vor allem als Färbemittel für Textilien verwendet worden. Bereits ein paar Jahrzehnte später wurden alle hochwertigen Streicherbögen aus diesem Holz gefertigt.
Fast alle professionellen Streicherbögen werden aus Fernambukholz gefertigt. Es hat die perfekten Eigenschaften. | Bildquelle: picture alliance / VisualEyze | Daniel Reiter Das Problem beim Fernambukholz ist: Es wächst ausschließlich in Brasilien - und viel gibt es nicht mehr davon. Die Bestände sind in den letzten 500 Jahren stark zurückgegangen, weil der Atlantische Regenwald massiv abgeholzt wurde. Heute besitzt er nur noch ein Achtel seiner damaligen Fläche. Deshalb ist Fernambuk bereits seit 2007 auf dem Anhang II des Artenschutzabkommens gelistet. Es sollte besonders geschützt werden. Eine kontrollierte Entnahme aus der Natur war ab da nur noch sehr begrenzt möglich. Es darf nur noch Holz exportiert werden, das nachweislich aus Altbeständen stammt.
Allerdings werden auch viele Fernambukbäume illegal abgeholzt. Das beobachtet das brasilianische Institut für Umwelt, kurz IBAMA, auch in den letzten Jahren. "Die brasilianische Industrie hat verbotenes einheimisches Holz verwendet, um damit den wachsenden internationalen Markt für Musikbögen in den USA, Europa und Asien zu beliefern", heißt es in einem aktuellen Schreiben Brasiliens. "Es ist notwendig, diese kriminellen Aktivitäten zu unterbinden - durch eine rigoros verstärkte Kontrolle des internationalen Handels."
Brasilien stellte im Juni 2022 den Antrag, das Fernambukholz auf Anhang I des Artenschutzgesetzes zu setzen. Dann dürfte wahrscheinlich gar kein Fernambukholz aus freier Natur mehr gefällt werden. Thomas Gerbeth ist erster Vorsitzender der IPCI Deutschland e.V. Hier haben sich viele Bogenmacher zusammengetan, um den Erhalt des Fernambukbaumes zu unterstützen. Thomas Gerbeth macht für die verheerende Rodung des Regenwaldes andere Faktoren verantwortlich als den Bogenbau: "Das Problem ist Brandrodung, Urbanisierung, Ackerbau und Viehzucht inklusive Eukalyptusplantagen, Rohrzucker. Das sind eigentlich die Ursachen, die dort eine große Rolle spielen."
Der Anteil der Hochkultur am Raubbau des Brasilianischen Regenwaldes geht in einen Promillebereich hinein.
Thomas Gerbeth veranschlagt für den internationalen Bogenbau einen weltweiten Bedarf von maximal 100 Fernambukbäumen pro Jahr. Es könnte sogar deutlich weniger sein, so Gerbeth. Weltweit würden etwa 25.000 Bögen pro Jahr produziert. "Wenn man davon ausgeht, dass ein erwachsener Baum im Durchschnitt ca. 1.000 Stangen Rohmaterial in allen Qualitäten liefern kann, wäre das nur ungefähr 25 Bäume pro Jahr."
Fernambukholz, oder auch Pernambuco, gehört zu den Brasilhölzern. Die fachliche Bezeichnung ist Caesalpinia echinata. | Bildquelle: picture alliance / blickwinkel/R. Koenig | R. Koenig Seit über 20 Jahren setzt sich die IPCI für die Aufforstung von Fernambuk in Brasilien ein. Rund 250.000 neue Fernambukbäume wurden auf ihre Initiative hin seitdem gepflanzt - auf extra angelegten Plantagen, aber auch in Naturreservaten. Die Bäume müssen erstmal 40 bis 50 Jahre wachsen. Ob diese künstlich gepflanzten Bäume irgendwann für den Bogenbau verwendet werden dürfen, ist allerdings noch unklar, erklärt Gerbeth: "Das Problem wird dann wahrscheinlich sein, ob Brasilien die Anpflanzungen, die wir oder auch andere geleistet haben, als kommerziell nutzbar anerkennen wird."
Sollte beim Washingtoner Artenschutzübereinkommens, kurz CITES, Mitte November eine Verschärfung hinsichtlich Fernambuk beschlossen werden, hätte das auch massive Auswirkungen auf die Musikwelt. Alle Streichbögen aus Fernambuk, egal ob alt oder in welchem Zustand, müssten beim Bundesamt für Naturschutz in Deutschland registriert werden – und das innerhalb von 90 Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes. Nur mit einem solchen Musikinstrumenten-Zertifikat könnten Musiker dann noch mit ihren Bögen ins Ausland reisen. Sofern sie überhaupt ein solches Zertifikat erhalten. Je nach Alter des Bogens müssen gegebenenfalls nachgewiesen werden, wann und wo das Fernambukholz geschlagen wurde. Vor allem für Orchester mit einem straffen Zeitplan auf Tourneen können die Kontrollen am Zoll die Ein- und Ausreise mit Streicherbögen aus Fernambuk sehr in die Länge ziehen.
Bislang haben Bogenbauer kein Holz gefunden, das dem Fernambuk gleichwertig wäre. "Wir suchen seit 40 Jahren nach adäquaten Hölzern", sagt Thomas Gerbeth. Kann Carbon eine Alternative sein? Schon seit vielen Jahren werden Streicherbögen auch aus diesem Material gefertigt. Allerdings werden diese Bögen nicht individuell an den jeweiligen Musiker angepasst, gibt Gerbeth zu Bedenken.
Carbon ist niemals ein Ersatz für Fernambuk.
Rund 90 Prozent aller professionellen Streichermusikerinnen und -musiker spielen auf Bögen aus Fernambukholz. Franz Scheuerer aus dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks spielt beides. Neben seinem Holzbogen benutzt er auch einen aus Carbon: "Den verwende ich vor allem bei Spieltechniken, die die Bogenstange sehr strapazieren - zum Beispiel 'col legno' oder so. Das kommt in der zeitgenössischen Musik immer wieder vor", erklärt Scheuerer. Über die Vorzüge seines Fernambukbogens ist er sich jedenfalls im Klaren: "Er bietet viel mehr Farben. Ein Carbonbogen ist niemals ein Ersatz für einen Fernambukbogen."
Sendung: "Allegro" am 28. Oktober 2022, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Samstag, 29.Oktober, 16:26 Uhr
Johannes Huber
Click-Fernambuk
Faszinierend, was moderne Technik alles kann! Noch faszinierender sind allerdings die naiven Vorstellungen derer, die offensichtlich nicht viel Ahnung davon haben. Aber, Science-Fiction gibt's ja schon lang!
Freitag, 28.Oktober, 13:24 Uhr
Livia Laios
Moderne Materialwissenschaft mit Click-Technik
Der Nobelpreis für Chemie geht an die Forscher*innen zu erfolgreichen Click-Verbindungen. Mittels dieser hypermodernen Technik kann jede Materialeigenschaft aus ganz anderen Grundstoffen als Edelhölzern und Elfenbein etc. nachgemacht werden. Zeit, dass die Materialmythen der Instrumente verschwinden und sachlichen Realitäten Platz machen. So steif, so schwingend, diese Wellenlängen - alles kann vorher festgelegt werden - und fertig ist die Stradivari oder der Millionenbogen. Einfach ankommen in der Gegenwart, wie wär's?