Ihre Familien sind seit Jahrzehnten verfeindet, der Hass sitzt tief. Und nun sollen junge Israelis und Palästinenser gemeinsam in einem Orchester spielen? Der Film CRESCENDO #makemusicnotwar zeigt den Nahost-Konflikt, wie man ihn noch nicht gesehen hat. Am 16. Januar kommt er in die Kinos.
Bildquelle: © FILMFEST MÜNCHEN 2019
Der Filmtipp zum Anhören
Die 24-jährige Palästinenserin Layla (Sabrina Amali) wirkt verbissen, während sie Zuhause im schummrigen Wohnzimmer Geige übt. Mit Bachs Solopartita in E-Dur kämpft sie gegen den Tumult draußen vor dem Fenster an. Ihre Heimatstadt Qualqiliya liegt im Westjordanland, direkt an der Grenze zu Israel. Immer wieder kommt es zu Ausschreitungen.
Der junge Israeli Ron (Daniel Donskoy) übt ebenfalls Bach. Er lebt in Tel Aviv, nicht weit entfernt von der Kulturhalle. Dort wird in wenigen Tagen Maestro Eduard Sporck erwartet. Ein deutscher Dirigent, der ein ehrgeiziges Ziel verfolgt: Mit jungen Palästinensern und Israelis ein klassisches Musikprogramm einzustudieren, das bei den Friedenverhandlungen zwischen Diplomaten aus Israel und Palästina aufgeführt werden soll. Initiatorin des Orchesterprojekts ist die etwas unterkühlt wirkende Aktienhändlerin Karla de Fries (Bibiana Beglau).
Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra waren der Ausgangspunkt für Drehbuchautor Johannes Rotter und sein Team. Auch wenn der Film keineswegs Barenboims Geschichte nacherzählt, sondern ein fiktives Setting entwirft. Doch mit dem offenen Konflikt, der zwischen den jungen Musikern schwelt, war auch Barenboim anfangs konfrontiert.
Am 4. Juli 2019 wurde CRESCENDO #makemusicnotwar erstmals beim Filmfest München gezeigt. Am 16. Januar 2020 kommt er in die deutschen Kinos.
Peter Simonischek in der Rolle des streitschlichtenden Dirigenten Eduard Sporck | Bildquelle: Filmvergnuegen (via YouTube) Die ungleichen Bedingungen zwischen den Israelis und den Palästinensern beginnen schon bei den Probevorspielen. Während Ron unkompliziert mit dem Bus anreisen kann, stecken Layla und ihr guter Freund, der Klarinettist Omar (Mehdi Meskar), erst einmal am Checkpoint fest. Nach dem Blindvorspiel hinter weißer Leinwand folgt das nächste Problem: Eduard Sporck hat die Musiker ausschließlich nach ihrem künstlerischen Niveau ausgewählt - nur eine Handvoll Palästinenser sind übriggeblieben, dabei sollte das Orchester paritätisch besetzt werden. Und als Sporck aus strategischen Gründen Layla zur Konzertmeisterin ernennt, artet die erste Probe in Handgreiflichkeiten aus.
Einfühlsam schildert CRESCENDO #makemusicnotwar die Schwierigkeiten der Musiker, friedlich miteinander umzugehen, wenn Hass und Vorurteile so tief sitzen. Die Probenarbeit - aus Sicherheitsgründen ins idyllische Bergpanorama Südtirols verlegt - erinnert eher an Therapiestunden. Stuhlkreis, Begrüßungsspiel (Sporck: "Wenn man sich nicht gegenseitig als Person wahrnimmt, kann man auch nicht zusammen Musik machen"), gemeinsamer Badeausflug am See.
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CRESCENDO #makemusicnotwar TRAILER
Regisseur Dror Zahavi lässt sich Zeit für die einzelnen Szenen, konzentriert sich ganz auf die Gefühlswelt seiner Protagonisten. Ron fällt es sichtlich schwer, über seinen eigenen Schatten zu springen (überzeugend dargestellt von Daniel Donsky). Mehdi Meskar verkörpert den schüchternen Omar, der doch eigentlich nur Musik machen will und verzweifelt die Auseinandersetzungen seiner Musikerkollegen verfolgt. Layla, wunderbar gespielt von Schauspielerin Sabrina Amali, muss mit den Widerständen in ihrer eigenen Familie umgehen. Denn ihre Mutter hat Angst, dass die Tochter als Verräterin dasteht.
Die Israelis kommen mit Panzern, und Layla spielt mit ihnen Geige?
Maestro Sporck muss sich mit seiner dunklen Familiengeschichte auseinandersetzen. Doch dass ein Unbekannter gleich einen Farbbeutel-Anschlag auf den Dirigenten verübt, wirkt dann doch recht unglaubwürdig. Auch die aufflammende Romanze zwischen Omar und der hübschen Israelin Shira nimmt eine Wendung, die reichlich konstruiert wirkt und in einem Sonntagabend-Krimi besser aufgehoben wäre.
Nichtsdestotrotz: Die Botschaft des Films bleibt stark. So groß die Wut und der Hass auch sein mögen, es gibt immer einen Weg, wieder aufeinander zuzugehen. Wir müssen uns nur dazu entscheiden.
Sendungsinfo: "Allegro" am 15. Januar 2020 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK