Die Idee: ein deutsch-polnisches Freundschaftskonzert zum Stadtjubiläum. Doch das Orchester aus Musikern der Nürnberger Symphoniker und der Philharmonie Koszalin muss in zwei Probentagen überhaupt erstmal zusammenfinden. Eine Geigerin aus Nürnberg trifft dabei einen Freund aus Kindheitstagen wieder.
Bildquelle: imago/Arkivi
Im Bild: Historische Ansicht der Landschaft um Koszalin
Anlass dieses außergewöhnlichen Konzertexperiments war das 750-jährige Jubiläum der Stadtgründung der im heutigen Westpommern gelegenen alten evangelischen Bischofsstadt Koszalin, früher Köslin. Malerisch nur etwa acht Kilometer von der Ostsee entfernt, hat der Ort eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die jahrhundertelang brandenburgisch und schließlich preußisch bestimmt war. 1945 befreite die Sowjetarmee die Stadt von der Nazi-Herrschaft und übergab sie einer neu eingerichteten polnischen Stadtverwaltung. Flucht und Vertreibung waren dann die tragischen Folgen für die deutsche Bevölkerung.
Angeregt wurde das binationale Jubiläumskonzert von Sieghard Rost, Mitglied des Freundeskreises der Nürnberger Symphoniker. Rost ist im damaligen Köslin geboren und fühlt sich der Stadt bis heute eng verbunden. Mit großem Engagement setzt er sich seit Jahren für die deutsch-polnische Aussöhnung ein. So soll auch das Konzert in seiner Heimatstadt als ein weiterer Meilenstein der Annäherung verstanden werden, als Freundschaftskonzert.
Als die Musiker der Nürnberger Symphoniker im Konzertsaal von Koszalin ankommen, sitzen schon die ersten Kollegen der Filharmonia Koszalinská auf ihren Plätzen und spielen sich ein. Im Nu geht es zu wie im Taubenschlag, die Musiker beider Länder finden zueinander - klanglich und emotional. Man stellt sich vor, ein Lächeln im Gesicht, vergewissert sich, am richtigen Platz zu sitzen, und stimmt in einen gemeinsamen Kanon ein. An jedem Pult sitzen jeweils ein Nürnberger und ein Koszaliner Musiker. Die Stimmung knistert spürbar vor Kreativität. Auch Lucius Hemmer, Intendant der Nürnberger Symphoniker, ist voll gespannter Erwartung: "Es war eigentlich von Anfang an unsere Idee, nicht einfach nur mit den Nürnberger Symphonikern dort hinzufahren, sondern wir wollten vor allem die Zusammenarbeit, das Zusammenbringen der Menschen, in den Vordergrund stellen", betont Hemmer, "und so entstand die Idee, jeweils die Hälfte der beiden Orchester gemeinsam auf die Bühne zu setzen und innerhalb von zwei Tagen zu einer Einheit zu formen."
Freundschaftskonzert in der Philharmonie Koszalin | Bildquelle: Ursula Adamski-Störmer Zum ambitionierten Konzertprojekt gehört auch ein umfangreiches Programm, in der deutsche und polnische Musik gleichberechtigt nebeneinander stehen: Wagner, Haydn, Brahms, und dazu zwei Koszaliner Komponisten: Der eine ist Karl Adolph Lorenz, ein heute kaum noch bekannter Hochromantiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der Carl Loewe im Amt des Stettiner Musikdirektors beerbte. Seine Werke gelangten in diesem Konzert - 135 Jahre nach ihrer Entstehung! - zur Uraufführung. Der andere, Kazimierz Rozbicki, ist 84 Jahre alt und wohnt in Koszalin.
Anna Reszniak, die Konzertmeisterin der Nürnberger Symphoniker, ist Polin. Auch für sie hat das Konzert eine ganz besondere Bedeutung: "Das ist eine spannende Geschichte, dieses Projekt. Ich habe mich sehr auf die Zeit hier in Polen gefreut - zum einen, weil ich so selten hier bin, zum anderen, weil hier zwei Orchester zusammenkommen, und ich so die Chance erhalte, die polnische Musikszene von innen zu erleben." Womit Anna Reszniak nicht gerechnet hatte, war, ihren Spielkameraden aus Kindertagen und heutigen Musikerkollegen Nathan Dondalski wiederzutreffen. Auch er ist Konzertmeister - in der Filharmonia Koszalinskà. Die beiden teilen sich das erste Pult.
Bildquelle: Bayerischer Rundfunk
Freunschaftskonzert in Koszalin
Anna Reszniak im Gespräch mit der Autorin
Mateusz Moleda, aus Polen stammender, in Deutschland aufgewachsener und lebender Dirigent, ist genau der Richtige, wenn es draum geht, deutsch-polnische Freundschaftsbande zu knüpfen. Er arbeitet konzentriert und zielorientiert, schleift hier an der Akzentuierung, zieht dort das Tempo an, legt Wert auf orchestrale Differenziertheit. Und dann ist es so weit: Tag drei dieser musikalischen deutsch-polnischen Begegnung ist angebrochen - und: Das Wagnis gelingt. Nach Standing Ovations des Koszaliner Publikums stehen dem Initiator des Projekts, Sieghard Rost, im damals noch deutschen Köslin geboren, seit vielen Jahren in Nürnberg beheimatet und Mitglied des Freundeskreises der Nürnberger Symphoniker, die Tränen in den Augen.
Ich bin ergriffen. Wer hätte sich das vor 20 Jahren vorstellen können?
Und Intendant Lucius Hemmer fällt ein Stein vom Herzen: "Ich muss sagen, ich bin berührt, wie die Menschen innerhalb so kurzer Zeit zueinander gefunden haben." Ein kleines Stückchen Europas ist mit diesem Konzert weiter zusammengewachsen - einzig und allein durch die Kraft der Musik. Europa, hör gut zu!
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