Mit 13 Jahren kam sie 2002 mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Deutschland. Heute ist sie eine der eindrucksvollsten Sängerinnen der deutschen Jazz- und Weltmusikszene. Ihr eben erschienenes Album heißt "Home" - voller mitreißend schöner Lieder in raffinierten Arrangements. Ein Jazz-Highlight des Jahres.
Bildquelle: Ganna Gryniva
Eine Stimmung und eine Stimme, die sofort fesseln. Ein sanftes Vorwärtsdrängen von Tönen. Eine – noch - leise Feier des Augenblicks. Ein Aufblühen. Es ist die Stimme der Sängerin Ganna Gryniva. Ihr neues Album "Home" beginnt mit einem Lied, das vom Frühling handelt. Ein Volkslied aus dem Land, aus dem Ganna Gryniva einst nach Deutschland kam, der Ukraine.
Auch über den Frühling kann man kaum schöner singen, als sie es hier tut. Diese flirrenden Farben in der Stimme. Diese Biegsamkeit des Gesangs. Und diese Natürlichkeit. Wie sanfte und immer fester werdende Berührungen bei einem Tanz sind diese Töne. Dabei ist dies ein Lied voller Symbolkraft in dieser Zeit. Denn der Frühling: Das ist der Neu-Anfang nach schweren Monaten.
Hinter der Sängerin ist auch eine hervorragende Band zu hören: der französische Saxophonist Musina Ebobissé, der schwedische Pianist Povel Widestrand, der aus Bayern stammende Bassist Tom Berkmann und der österreichische Schlagzeuger Mathias Ruppnig. Ein starkes Gespann für eine sehr ausdrucksstarke Musik.
Bildquelle: Tanya Vilchynska Zu den Höhepunkten des Albums zählt ein Lied über eine Mutter und ihren Sohn, die sich verabschieden, bevor er in den Krieg zieht. Er bittet sie um Vergebung für den Fall, dass er nicht lebend zurückkommt. Ein Volkslied, das schon im Winter von 2013 auf 2014 Bedeutung erlangte – als über hundert Menschen nach der gewaltsamen Niederschlagung von Portesten gegen prorussische Politik ihr Leben verloren. Es wurde zu einem Requiem auf die Opfer. 2022 gehört dieses ukrainische Lied zu den besonders oft gesungenen.
Tief berührend ist es so, wie es hier erklingt. So interpretiert, dass weder Sentimentalität noch zu starkes Pathos entstehen. Es ist Innigkeit, es ist Schönheit, und es ist Schmerz, was hier durch eine feine und hochdifferenzierte Musik ausgedrückt wird. Eine zutiefst menschliche Botschaft tragen diese Aufnahmen in die Welt. Und gerade weil diese Musik sich auch gestattet, aufgewühlt und unruhig und vor allem nie glatt zu sein, packt sie besonders. Eine bewegende Sängerin und Interpretin ist Ganna Gryniva, faszinierend, wie unmittelbar sie hier Emotionen in Musik umsetzt. Und eine beeindruckende Vermittlerin von Liedern, die in diesen Zeiten – und auf diese Art gesungen – viele Menschen auf der Welt interessieren sollten.
Ganna Gryniva, Gesang, Arrangements; Musina Ebobissé, Tenorsaxophon; Povel Widestrand, Klavier, Synthesizer; Tom Berkmann, Kontrabass; Matthias Ruppnig, Schlagzeug.