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The Georgians "Old King Tut" Tutanchamun und die Ägyptomanie im Jazz

Am 27. April 1923 nehmen "The Georgians" den Song "Old King Tut" auf. Dieses Stück spiegelt eine fast vergessene Modeströmung jener Zeit: die Ägyptomanie. Es zeigt auch, dass der Jazz schon ganz früh auf aktuelle Trends reagierte – und dabei hochunterhaltsam sein konnte.

The Original Dixieland Jazz Band | Bildquelle: akg-images-dpa

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Schon bevor im November 1922 Howard Carter und Lord Carnarvon das fast unversehrte Grab des Pharaoh Tutanchamun mit der prächtigen Grabmaske entdeckten, lag Ägypten im Trend. Das zeigen Songs wie der "Cleopatra Rag" von 1915, "Cleopatra Had a Jazz Band" von 1917, "Mummy Mine" von 1918, oder "By The Silvery Nile" von 1921. Kein Thema war zu entlegen, dass man es nicht mit dem Land der Pyramiden in Verbindung bringen konnte. "I know why Cleopatra put that snake against her skin. She lost her mind completely when she lost her Gordon's Gin", heißt es im die Prohibition thematisierenden in dem Song "Sahara (We'll Soon Be Dry Like You)" von 1919, der die Prohibition zum Thema hatte.

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Old King Tut | Bildquelle: The Georgians - Topic (via YouTube)

Old King Tut

HÜTE, HANDTASCHEN UND HITS – MIT TUTANCHAMUN UND PRÄSIDENT HOOVERS HUND.

Nachbildung der Maske des Tutenchamun | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Nach der Entdeckung des Grabes und dem tragischen Tod Lord Carnarvons im April 1923 erlag der Westen vollends dem Ägypten-Rausch. Das Reich der Pharaonen bot sich als Projektionsfläche unterschiedlichster Sehnsüchte an: Exotik, Esoterik und Erotik wurden damit verbunden, Reise-, Abenteuer- und Entdeckerlust geweckt, Kunstsinn an den antiken Funden gestillt, die Choreographen und Modeschöpfer anregten. Im Frühling 1923 trugen Pariserinnen Tutenchamun-Hüte und "Tut-​Ankh-​Amen" wurde die Trademark einer amerikanischen Handtaschenfirma. Stummfilmdiven verkörperten Kleopatra und wer auf sich hielt, trug Skarabäus-Halsketten, rauchte ägyptischen Tabak oder bewegte sich in Tanzschritten, die dem Traben der Kamele abgeschaut waren. Sogar der Hund von Präsident Hoover hieß "King Tut". Der altehrwürdige Nimbus, den Ägypten in Opern wie der "Zauberflöte" und "Aida" umgab, löste sich in den neuesten amerikanischen Songs ebenso wie in der europäischen Operette oft in Klamauk auf, wie in den "Perlen der Kleopatra".  Die Autoren der Tin Pan Alley, so der Spitzname für die 28. Straße in New York, dem Sitz vieler Musikverlage, feuerten die Ägyptomanie mit einer Fülle von Walzern, Blues, Foxtrotts und Tangos, zogen ihn aber auch durch den Kakao. Einer von ihnen, Harry Von Tilzer, schrieb "Old King Tut":

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Boardwalk Empire - Old King Tut -Stephen DeRosa and Meg Steedle | Bildquelle: Angelo Segall (via YouTube)

Boardwalk Empire - Old King Tut -Stephen DeRosa and Meg Steedle

SCHLANGENBESCHWÖRER UND EIN ITALIENER IN NEW ORLEANS

Den albernen Songtext ersparen uns "The Georgians", eine der fleißigsten und geschäftstüchtigsten Bands jener Tage. Dafür liefert der Pianist Arthur Schutt ein pfiffiges Arrangement, bei deren erstem Teil die Hörer den Schlager in einer Dixieland-Version mitsingen könnten: Gegen Ende des ersten Klarinettensolos zitiert die Band "Hooray and up she rises" aus "What Shall We Do With The Drunken Sailor". Die mit dem Zitat symbolisierte Reise wird wie vor einem Zaubertrick auf einer Zirkusbühne mit einem Gongschlag unterbrochen: Die Bläser klingen plötzlich wie Schlangenbeschwörer. bevor Dann geht es zurück. Nach Georgia? Nein, aus diesem Land kommen die Georgians gar nicht. Hauptsolist Frank Guarente stammte sogar aus dem kampanischen Montemilletto. Noch als Jugendlicher hatte er in Italien das Trompetenspiel erlernt. In New Orleans lernte er seinen afroamerikanischen Kollegen King Oliver kennen. Man erzählt vom gegenseitigen Unterricht. Guarente hat vermutlich Oliver im Notenlesen assistiert und selbst Tipps im Dämpferspiel erhalten. "The Georgians", deren Musiker sonst im weniger jazzorientierten Tanzorchester von Paul Specht arbeiteten, waren die Konkurrenten von "The Virginians", einem Ableger des Whiteman Orchestras. Damit kommen "Bands in the band" auf, kleinere, jazzigere Unterformationen größerer Tanzorchester. Bald trugen unzählige Tanzkapellen Namen wie "Californians" oder "Pennsylvanians".

ÄGYPTEN UND DER JAZZ IN EINEM STUMMFILM ÜBER DIE ZEHN GEBOTE

"The Ten Commandments" war der besucherstärkste amerikanische Film des Jahres 1923. Überraschenderweise führt in diesem über weite Strecken im alten Ägypten angesiedelten Monumentalfilm eine Platte der "Missourians" zu einer dramatischen Wendung der Handlung. Selbst ein Stummfilm über die zehn Gebote kam damals nicht ohne Jazz und ohne Ägypten aus! Doch diese Platte gibt es nur im Film. Da eine Band dieses Namens erst sechs Jahre später Platten machte, könnte diese Fake-Platte eine versteckte Anspielung auf "The Georgians" sein.

DIE PHARAONEN BLEIBEN DEM JAZZ ERHALTEN – AUFERSTEHUNG IN DEN WILDEN 1960ERN

Ägypten bleibt ein Thema im Jazz. Besondere Bedeutung hat es, als die schwarze Jazz-Avantgarde der 60er Jahre sich stolz und neugierig auf die afrikanischen Wurzeln besinnt und aus dieser Perspektive Ägypten zu einer Art mythischen Heimat macht. Der Bandleader Sun Ra benennt sich nach dem ägyptischen Sonnengott - und gibt einem obdachlosen Saxophonisten namens Ferrell Sanders Unterkunft und den Namen Pharoah [kein Tippfehler] Sanders. Der 2022 Verstorbene wird tatsächlich ein Pharao unter den Saxophonisten. Und das Art Ensemble Of Chicago nennt sogar 1969 eines seiner Alben "Tutankhamun". Der Pharao wechselt diesen Spielweisen wie die Schreibweisen, begleitet als "Tutankhamun" die ersten Schritte der Band "First Steps" des unvergessenen Münchner Pianisten Götz Tangerding, heißt beim Bassisten Sigi Busch "Tutanchamon" und jüngst beim Gitarristen Maurizio Brunod "Tutankamon"

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Tutankhamun | Bildquelle: Art Ensemble of Chicago - Topic (via YouTube)

Tutankhamun

Sendungshinweis:

20. April 2023 BR-Klassik, 23.05 – 0.00 Jazztime mit Benedikt Schregle: Eine Chronik des Jazz (28) von Marcus Woelfle: "Tain't Nobody's Business If I Do" - Ende April und Anfang Mai 1923

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