BR-KLASSIK

Inhalt

Geschichte des Jazz So kam der Funk in die Musik

"Funky": Das bedeutet unkonventionell, aber auch ängstlich - und sogar übelriechend. Aber das Wort steht auch für musikalische Eigenschaften, die bis heute für besondere Vitalität sorgen. Auch der Jazz hat davon profitiert.

Maceo Parker | Bildquelle: xflickrx - wikipedia

Bildquelle: xflickrx - wikipedia

"Funk" ist ein ähnlich elastischer Begriff wie "Swing". Denn er bezeichnet vieles gleichzeitig: einen Spielstil, ein Gefühl, Haltungen, Identitäten. Er ist als Abgrenzungsbezeichung mit einer Reihe ähnlich unscharfer Begleiter wie Groove, Fusion, Black American Music verbunden, hat auf rätselhafte Weise auch etwas mit Hipness zu tun, die eigentlich eher in der lebensweltlich literarischen und urbanen Szene wurzelt. Und dann gehören da noch stilistische Zulieferer wie Gospel, Blues, Soul und Rhythm & Blues ins Boot, die Klang, Struktur und Instrumentaltraditionen prägen. Funk ist damit ein bunter Kosmos der Impulse und Assoziationen, der die Popmusik von den 1950er Jahren mindestens zwei Jahrzehnte lang stark beeinflusst und seitdem immer wieder inspiriert hat. Und bei dem sich auch der Jazz gerne schon Ideen geholt hat.

HORACE, HANK UND KENNY

Buddy Bolden's Jazzband | Bildquelle: Wiki Commons Bildquelle: Wiki Commons Der Funk in seiner ursprünglichen englischen Bedeutung stand eigentlich für Angst und Bange, jedenfalls etwas, das zum Davonlaufen veranlasst. Die Umgangssprache in ihrer Produktivität mischte dem Verängstigten bald weitere Zutaten bei, von übelriechend, irre, überdreht bis erdig und unkonventionell, einschließlich drogengefärbter Varianten. Das wiederum passte gut zu einer Musik, die sich von der Langeweile des Erlaubten absetzen wollte, manchmal auch sollte, und damit "funky" war. Schon Buddy Bolden, der Trompeter und mythische Ahnherr des Jazz im New Orleans um 1900, soll seinen "Buddy Bolden’s Blues" eigentlich "Funky Butt" genannt haben, als umgangssprachlich pointierter Verweis etwa auf den verschwitzen Hintern, den man beim ausgelassenen Tanzen bekommen kann.

HORACE SILVERS "OPUS DE FUNK"

Nimmt man einen Titel als Hinweis auf den Inhalt, dann gehört der Funk der 1950er Jahre auch zu den Stilblüten des Jazz. Der Pianist Horace Silver beispielsweise, den die Hagiographie üblicherweise eher dem Soul Jazz zuweist, komponierte 1953 sein "Opus De Funk", das er im November desselben Jahres im Trio mit Kontrabassist Percy Heath und dem Schlagzeuger Art Blakey aufnahm. Clark Terrys um 1957 entstandenes "Funky" war zwar eher ein Blues, Hank Mobleys im selben Jahr im Quintett für Blue Note aufgenommenes "Funk In Deep Freeze" solider, ebenfalls von Art Blakey vorangetriebener Modern Bop, und Kenny Drews im Quintett 1961 auch für Blue Note eingespieltes "Funk-Cosity" ein im Geschmacksstil des Label-Chefs Alfred Lion combo-swingender Hardbop. Der Begriff jedoch war eingeführt und begann, als Inspiration ein Eigenleben zu entwickeln.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Horace Silver - Opus De Funk (1953) | Bildquelle: Okmusix (via YouTube)

Horace Silver - Opus De Funk (1953)

SOUL, RHYTHM & BLUES, JAZZ

Amerika veränderte sich. Seit schwarze Soldaten im Zweiten Weltkrieg auch für weiße Souveränität gekämpft hatten, kam der offene Rassismus der Segregation zuweilen in Argumentationsnöte. "Race Records" etwa, bis in die 1940er Jahre eine geschäftsübliche Unterscheidung der Plattenindustrie, um Musik von und für schwarze Hörer:innen zu kategorisieren, wurde zunehmend durch den Begriff "Rhythm & Blues" ersetzt, der sich außerdem dafür eignete, den überwiegend weißen frühen Rock’n’Roll von der Konkurrenz im Sortierfach trennen zu können.

E-GITARREN, HIPSTER-CLIQUEN, BÜRGERRECHTSBEWEGUNG

Künstler wie der Multiinstrumentalist Louis Jordan, der Soulsänger und Pianist Ray Charles oder auch die Funkband der Isley Brothers strahlten jedoch bald weit über die engen Business-Grenzen des Rhythm & Blues hinaus und nahmen Swing-Instrumentierungen, Stimmführungen aus Gospel, Blues oder der Vocal-Groups-Tradition mit in die eigene Welt, darüber hinaus auch prosperierende neue Instrumente wie E-Gitarren, E-Bässe, Orgeln, frühe Keyboards. Das System weitete sich, bekam künstlerischen Input aus dem jung und wild pulsierenden Pop, der heranwachsenden Rockmusik, den Hipster-Cliquen der jazzenden Urbanität, aber auch inhaltlich aus dem wachsenden Selbstbewusstsein der Bürgerrechtsbewegung.

Zum 80. Geburtstag von Saxophonist Maceo Parker

Am 14. Februar wird der Saxophonist Maceo Parker 80 Jahre alt. Lernen Sie ihn und seine Musik kennen! Am 16. Februar ab 23:05 Uhr auf BR-KLASSIK. Moderation und Auswahl: Ralf Dombrowski.

JAMES UND MACEO: "PAPA’S GOT A BRAND NEW BAG"

James Brown - Papa's Got A Brand New Bag Live 1965 (Remasterted) | Bildquelle: MMMbike (via YouTube) James Brown – Papa's Got A Band New Bag Live 1965 | Bildquelle: MMMbike (via YouTube) Und so beginnt die offizielle Geschichte des Funk im Februar 1965. James Brown, bis dahin leidlich erfolgreicher Sänger und Songwriter aus South Carolina, der mit "Please, Please, Please" 1956 einen frühen Hit gelandet hatte, dann aber eher im Mittelfeld des LP-Erfolgs dümpelte, bis er sich mit der Show "Live At The Apollo" 1963 auf Platte und in den Charts zurückmeldete, versammelte im Arthur Smith Studio in Charlotte, North Carolina, eine bläserstarke Band. Drei Trompeten, Posaune, Altsaxophon, vier Tenors, eines davon im Wechsel mit Bariton gespielt von Maceo Parker, ergänzten die Rhythmusgruppe, um ihm für "Papa’s Got A Brand New Bag" den nötigen Nachdruck zu verleihen.

WENN DER BASS ZUM PERCUSSION-INSTRUMENT WIRD

Der Song wurde zum Vorbild und zur Bauanleitung des Genres, denn er hatte vieles, was man in den kommenden Jahren potenziert und variiert hören konnte: Kurze, trocken gespielte Bläsersätze im Frage-Antwort-Stil, mittelschnell tanzbares Tempo, eine klare, blues-geprägte Struktur und einem perkussiv gespielten Bass, in Bälde dann von Bootsy Collins oder Larry Graham 'geslapt', also mit dem Daumen geschlagen. Dazu kamen die akkordisch rhythmischen Gitarren-Fills von Jimmy Nolen, die Nile Rodgers später zur Disco-Reife bringen sollte.

POWER-SOUND STATT DER KRAFT DER BLUME

Über allem thronend und die Dramaturgie prägend, mit latent hymnischer, nachdrücklicher Energie gesungen, hielt James Browns Stimme den Song zusammen und verpasst ihm das verschwitzte Image des Authentischen, indem er von dem Mann sang, der selbstbewusst immer vorn dabei ist. Sexy, kraftvoll, black & proud – das war so ganz anders als der im selben Jahr widerspenstig, aber auch ein wenig introvertiert seine Gitarre an den Verstärker beim Newport-Festival anschließende Bob Dylan, ein anderer gerade erblühender Star der amerikanischen Musik. Nicht Hippie durch die Kraft der Blume, eher heftig und funky eben. 

VOM RAND IN DIE MITTE: JAMES BROWN UND SEINE "HORNS"

Von dann an ging es schnell voran. "Papa’s Got A Brand New Bag" wurde im Juli 1965 veröffentlicht, schaffte es, wenn auch in etwas beschnittener Single-Version, in die US-Top-Ten und verhalf James Brown im folgenden Jahr zu seinem ersten Grammy in der Kategorie "Rhythm & Blues". Das Bandformat mit großem Bläsersatz verstetigte sich, neben Maceo Parker gehörten bald der Posaunist Fred Wesley und der Saxophonist Pee Wee Ellis zum engen Team der J.B. Horns, deren Leitung Ellis und Parker sich von 1967 an bis in die frühen 1970er Jahre hinein teilten. Sie mündeten unter anderem in die "J.B.’s", die von 1970 an Browns Heimatband waren. Nach verschiedenen Pausen, Solo-Projekten und auch immer wieder Streit mit dem Meister waren die J.B. Horns in den 1990er Jahren auch als eigenständige Band weiter aktiv.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

James Brown - Papa's Got A Brand New Bag Live 1965 (Remasterted) | Bildquelle: MMMbike (via YouTube)

James Brown - Papa's Got A Brand New Bag Live 1965 (Remasterted)

PRÄGENDE SOUND- UND GESTALTUNGSFORM DES POP

Und der Funk? Er landete mitten in der Szene. James Brown, Sly & The Family Stone, George Clinton mit Parliament bildeten die erste Garde, bald folgen die Variationen mehr in Richtung Soul und Disco mit Kool & The Gang, Earth, Wind & Fire, Johnny Guitar Watson, mit Rock-Elementen wie Chicago, Blood, Sweat & Tears oder Tower of Power, mit Jazz wie Miles Davis von "In A Silent Way" 1969 an, wie Herbie Hancock, der von "Fat Albert Rotunda" 1970 an die funky Elemente bevorzugte und mit den Headhunters 1973 vorläufig perfektionierte, oder wie Weather Report mit dem immens funky groovenden Bass-Artisten Jaco Pastorius. Überall entstanden neue Bands, von den frühen 1970er Jahren an häuften sich Fusion-Funk-Combos etwa um den Schlagzeuger Billy Cobham, den Keyboarder und Musikproduzenten George Duke, die Brecker Brothers oder auch die Brüder Lester und den Posaunisten und Sänger Joseph Bowie. Der Funk vom Rand der Musikwelt war als eine prägende Sound- und Gestaltungsform des Pop in Richtung Mitte weitergezogen. Funkiness rules.

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player