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Premierenkritik - "Sizilianische Vesper" auf Gut Immling Verdi-Abend mit musikalischem Seltenheitswert

Es ist ein politisches Stück um Herrschaft und Revolte. Verdis "I vespri siciliani" spielt zur Zeit des sizilianischen Aufstands gegen die Franzosen um 1282, aber der Stoff ist zeitlos: Drei Männer und eine Frau versticken sich in fatalen emotionalen und politischen Zusammenhängen. Am Samstag begannen die 21. Festspiele auf Gut Immling im Chiemgau mit einer Neuproduktion dieser eher selten gespielter Verdi-Oper. Regie führte Stefano Simone Pintor.

Bildquelle: Festspiele Immling / Nicole Richter

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Premierenkritik - "Sizilianische Vesper" auf Gut Immling

"Make Opera - not War" lautet das Motto des diesjährigen Immlinger Festivals, und der junge italienische Regisseur Stefano Simone Pintor verlegt für seine Sizilianische Vesper den politischen Konflikt zwischen Volk und Besatzern in eine ewig existierende kriegerische Welt zwischen Mittelalter und heute. Das naiv-abstrakte Bühnenbild von Nikolaus Hipp besteht aus Bambusgerüsten und aufgespannten hellen Tüchern, aus denen das Volk in pittoresken Kostümen aus der Verdizeit hervorquillt. Die brutalen französischen Soldaten tragen dagegen Uniformen aus dem 20. Jahrhundert und marodieren mit gezückten Säbeln. Eine beachtliche szenische und musikalische Leistung des Immlinger Festivalchores.

Die Premiere in Bildern

Verdi-Überraschung aus dem Orchestergraben

Im Orchestergraben der Reithalle gelingt Cornelia von Kerssenbrock mit den Münchner Symphonikern eine echte Verdi-Überraschung. Die Musiker bleiben der enormen Bandbreite von Verdis Tonsprache nichts schuldig: Dumpf stocken die Töne in bedrohlicher Atmosphäre, dann bäumen sich große Eruptionen des Aufbegehrens auf, die Musik tänzelt und flirrt verspielt in den Liebesarien und ist von Anfang bis Ende hervorragend auf das Bühnengeschehen und die Solisten abgestimmt.

Meist souveränes Sänger-Ensemble

Mit jungen italienischen Stimmen ist das Liebespaar Elena - Arrigo besetzt. Emanuela Torresi verleiht der weiblichen Hauptrolle ätherische Grazie, glänzt mit strahlender Höhe, kann aber in der Mittellage nicht die nötige Durchschlagkraft für die Partie liefern. Angelo Fiores Tenor hat einen kernigen, schlanken Ton, das gefürchtete hohe D und ein erstaunliches Piano – selten zu hören bei Verdisängern. Er kann mit den beiden schwergewichtigeren Bassisten des Abends gut mithalten. Die Szenen mit seinem Vater Monfort, souverän gesungen von Stefano Meo, sind besonders eindringlich, und auch Alexander Teliga als Procida beeindruckt mit seiner sonoren Bassstimme von internationalem Format.

Glücklicherweise werden die wallenden Tücher des Bühnenbildes auch gelegentlich für aussagekräftige Projektionen von Francesco Mori genutzt. Hier zitiert der Regisseur Gemälde von Verdis Zeitgenossen und verweist auf die Freiheitsbestrebungen des Risorgimento. Mehr davon wäre noch schöner gewesen, auch um die dramaturgischen Schwachpunkte des Werkes am Ende etwas zu überspielen. Zu plötzlich kommt die heiter-naive Hochzeits-Stimmung zu Beginn des letzten Aktes, um dann wieder im Fiasko zu enden. Alles in allem bietet die Immlinger Produktion aber einen eindrucksvollen Verdiabend mit hohem musikalischem Seltenheitswert.

Besetzung und Termine

Musikalische Leitung: Cornelia von Kerssenbrock
Inszenierung: Stefano Simone Pintor
Bühnenbild: Nikolaus Hipp
Münchner Symphoniker, Festivalchor Immling

La Duchessa Elena: Emanuela Torresi
Arrigo: Angelo Fiore
Guido di Monforte: Stefano Meo
Giovanni da Procida: Alexander Teliga
Danieli: Santiago Sanchez
Ninetta: Hyunjeong Ellen Yu
Tebaldo: Aliahmad Ibrahimov
Il Conte Vaudemont / Roberto: John Sweeney
Il Sire di Bethune: Svyatoslav Besedin
Manfredo: Yonghuan Ji

Premiere war am 17. Juni 2017
Weitere Vorstellungen am 23. Juni sowie 2., 15., 21. und 28. Juli

Tickets und weitere Informationen unter gut-immling.de

Sendung: "Allegro" am 19. Juni 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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