Harald Schmidt verschlägt es nun auch auf die Opernbühne: In Stuttgart tritt der 61-Jährige als Haushofmeister in "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss auf. Sein Debüt an der dortigen Staatsoper gibt der ehemalige Moderator der legendären "Late Night Show" am 2. Juni.
Bildquelle: Anatol Cotte
BR-KLASSIK: Ich habe zwei Buchstaben im Gepäck, über die ich gerne mit Ihnen reden würde: E und U. Was fällt Ihnen da als erstes ein?
Harald Schmidt: Naja, von Bernstein kenne ich: "Es gibt nur gute und schlechte Musik". Das ist ja auch richtig. Aber die Trennung habe ich in meinem Job nie gemacht. Entweder man unterhält die Leute - oder man unterhält sie nicht.
BR-KLASSIK: Was würden Sie sagen: E- und U-Musik auf keinen Fall getrennt sehen, eher zusammenbringen oder die Trennung gar auflösen?
Harald Schmidt: Die Trennung ist sinnlos, weil es um Handwerk geht und um künstlerische Seriosität. Die ist in einer Revue oder in einem Musical genauso gefragt wie im "Ring".
BR-KLASSIK: Wenn ich an die Late Night Show denke, mit der man Sie in Verbindung bringt, sehe ich eher das U. Auch wenn ich mich gut an Scarlatti erinnere – an das E. Würden Sie auch sagen, dass Sie immer versucht haben, einen Slalom zu fahren, beide Buchstaben zusammenzubringen?
Harald Schmidt: Für mich gab es die Trennung nicht. Ich hörte einmal in einem Kultursender nachmittags alle Scarlatti-Sonaten. Dann haben wir die DVD davon gekauft. Und um das aber für den Sat.1-Zuschauer zeitlich nicht ausufern zu lassen, haben wir auf zwölf CD-Playern alle Scarlatti-Sonaten gleichzeitig abgespielt. Es war das einzige Mal, dass in der Geschichte von Sat.1 der Name Scarlatti fiel.
Die Wiener sagen, ich soll die Pappn halten.
BR-KLASSIK: Die Rahmenhandlung der "Ariadne" spielt in Wien. Wie steht's denn um Ihr Wienerisch?
Harald Schmidt: (Auf Wienerisch) Naja, ich sag mal so: außerhalb von Wien jederzeit! Wann ich in Wien bin, mache ich's auch. Man ist dort charmant genug, um zu sagen: "Du machst das gar nicht schlecht." Aber mia alle wissn, dass die Wiener falsch san und wenn ich rausgehe aufs Klo oder zu die anderen Schneebrunzer, heißt es: "Der soll die Pappn halten, der kann's nicht."
Wir haben das Wienerische herausgenommen.
BR-KLASSIK: Nicht schlecht! Wird es das dann auch auf der Bühne in Stuttgart geben?
Harald Schmidt: Nein, das war einer der ersten Sätze, die ich vom Regisseur Jossi Wieler gehört habe. Wir haben alles Wienerische herausgenommen. Die Inszenierung spielt zwar in Wien und kriegt außerdem jetzt nochmal durch die Vorgänge in Österreich einen Schub. Aber die Oper ist natürlich Lichtjahre von irgendwelchen platten Tagesaktualitäten entfernt.
BR-KLASSIK: Das heißt, Ihr Haushofmeister ist kein Wiener?
Harald Schmidt: Er ist ein deutscher Apparatschik. Ich muss allerdings sagen, es hat mir wahnsinnig gut gefallen, wie Bundeskanzler Kurz zur Pressekonferenz in das Schlafzimmer von Maria Theresia kam, um dort zu sagen: "Jetzt ist Schluss, jetzt sind keine Politiker mehr an der Regierung, jetzt kommen Experten." Diese Art, wie er ging und wie er die Hände hielt. Auch der Ton, in dem er das angestimmt hat, war eigentlich eher sanft. Das war für mich nochmal so ein Schlüsselerlebnis: Genau! Diese Meldung: "Mein gnädiger Herr haben sich mal wieder anders besonnen" - das wird in einem sehr sanften Ton gemacht. Ich mache das auch, aber in der Inszenierung von einem Rednerpult aus, über Mikrofone.
BR-KLASSIK: Sie lassen sich also auch noch ganz aktuell für die Rolle inspirieren.
Harald Schmidt: Ja, aber nicht so, dass man sagen könnte, wir würden eine Kurz-Parodie machen. Man sieht es einfach und kann sagen: "Das ist gemeint".
BR-KLASSIK: Ich habe gelesen, dass Sie schon als Jugendlicher vom Theater fasziniert waren und für Vorstellungen auch weite Wege auf sich nahmen. Sie sind auch Musiker, haben Orgel gespielt und Kirchenmusik studiert. Wie ist es denn, wenn beides zusammenkommt: das Schauspiel und die Oper? Gerade das Timing ist wahrscheinlich schwierig, wenn man mit Sängern arbeitet, aber das Sprechtheater gewohnt ist.
Harald Schmidt: Absolut! Mir den Hofmannsthal-Text drauf zu schaffen, war für mich auch nicht einfach. Der Text muss ja wirklich wörtlich kommen, auch für die Stichworte. Außerdem wird mein Text auch teilweise musikalisch aufgenommen. Ich hatte auch schon Proben mit Generalmusikdirektor Cornelius Meister, der dirigiert. Es wird wirklich darauf geachtet, dass ich zwar in meinem Tempo einigermaßen frei bin, aber dass es doch Stellen gibt, die einfach exakt auf den Takt kommen müssen. Sonst stimmt es musikalisch einfach nicht mehr.
Mir machen die Proben unglaublich viel Spaß.
BR-KLASSIK: Macht Ihnen diese Probenarbeit Spaß oder sind sie eher ein Improvisateur?
Harald Schmidt: Ich habe natürlich mein Leben lang nur improvisiert – das wird auch in der Rolle über Zerbinetta gesagt. Sie ist eine Meisterin im Improvisieren, weil sie immer nur sich selber spielt. Besser kann man mich gar nicht beschreiben. Mir machen die Proben unglaublich Spaß: Es sind fantastische Musiker, es sind tolle Kolleginnen und Kollegen. Und das Tollste ist, dass ich ja eine Übernahme mache. In der Premiere hat der große Schauspieler André Jung gespielt. Und das heißt, dass ich sozusagen in die schon bestehende Inszenierung reingehe. Das entspricht genau meinem Arbeitsethos. Was im Schauspiel immer sehr mühselig ist, ist der Satz: "Jetzt lass uns mal anfangen." Und das ist mir wirklich zu anstrengend.
BR-KLASSIK: Sie springen also aufs fahrende Schiff ...
Harald Schmidt: Genau. Ich habe es wahnsinnig gern, da zu stehen und zu warten, bis der Stuhl nach vorne geschoben wird und ich dann einfach nur von links zu kommen brauche. Das ist auch so ein Traum von mir, dass ich jetzt weltweit als Haushofmeister gastiere. Von Buenos Aires bis Lappland – wo auch immer der Haushofmeister indisponiert ist: Give me a call.
Sendung: "Allegro" am 27. Mai 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK