Der Bariton Michael Volle fühlt sich wohl auf den großen Bühnen dieser Welt: Ob als Wotan an der New Yorker MET, als Papageno in Paris oder als Hans Sachs an der Mailänder Scala – er ist als Opernsänger international gefragt. Als schwäbischer Pfarrerssohn ist Volle aber vor allem mit der Musik von Johann Sebastian Bach aufgewachsen. Eine andauernde Leidenschaft, der Volle auch im Konzert frönt – zum Beispiel am 28. Februar in Augsburg.
Bildquelle: Doris Spiekermann-Klaas TS
BR-KLASSIK: "Ich freue mich auf meinen Tod, Ach, hätt er sich schon eingefunden." Oder: "Nun wünsch ich, noch heute mit Freuden von hinnen zu scheiden.“ So heißt es in der Bach-Kantate "Ich habe genug". Herr Volle, mit welcher Einstellung singt man so etwas?
Michael Volle: Nicht todessehnsüchtig, denn ich bin noch viel zu jung, um zu gehen. Ich habe früher auch immer gedacht, was sind das für niederschmetternde Sachen. Aber eigentlich ist es sehr hoffnungsvoll, was der Textdichter da für die Bach-Kantaten geschrieben hat. Es ist diese Sehnsucht nach einem besseren Leben im Jenseits und die Vorfreude darauf. Das ist doch was sehr Schönes, wenn Menschen so auf die Zeit nach dem irdischen Ableben schauen können.
BR-Klassik: Es ist sehr trostreich formuliert, zum Beispiel auch in der Kreuzstab-Kantate. Manchmal ist es aber auch sehr drastisch, sodass es für den Menschen heute schwer nachzuvollziehen ist, oder? Wenn man sich auf den Tod freut?
Johann Sebastian Bach | Bildquelle: picture-alliance/dpa Michael Volle: Das ist sehr archaisch und die Bezüge dazu gehen uns heute auch immer mehr verloren, glaube ich. Egal ob man gläubig ist oder nicht. Ich bin Pfarrerssohn. Meine Eltern, die beide leider nicht mehr leben, hat das ihr ganzes Leben lang begleitet. Sie haben, wie auch ganz viele andere Menschen auch, in diesen extremen und schweren Zeiten daraus Kraft geschöpft, um darüber hinwegzukommen und neue Hoffnung zu bekommen. Als Sänger ist es hingegen ganz anders, denn man ist nicht in dieser existenziellen Situation. Wenn man die Musik macht, muss man sich aber damit beschäftigen. Ich finde es sehr beeindruckend, wie der einzigartige, große Bach das umgesetzt hat. Zum Beispiel in "Ich freue mich auf meinen Tod", die Nummer fünf aus "Ich habe genug": Das ist ein flotter 3/8-Takt und man geht da beschwingt raus, obwohl die Worte so schwer sind.
Bei 'Ich freue mich auf meinen Tod' fällt es mir sehr schwer, ruhig zu bleiben. Ich glaube, ich fange da leicht an zu tänzeln.
BR-KLASSIK: Also würden Sie keinesfalls sagen, wie Sie es mal bei Wagner mal sinngemäß getan haben: Da stehen seltsame Dinge im Text, aber es ist tolle Musik.
Michael Volle: Es wirkt sehr fremd, weil es sehr alt ist. Ich finde aber, gerade in dieser alten und nicht mehr gebräuchlichen Sprache steckt so viel Besonderheit und auch Reizvolles. Das verstehe ich bei weitem mehr als so manche Kaskadensätze von Richard Wagner.
BR-KLASSIK: Sie sind ja ein, wenn ich das mal so sagen darf, unheimlich physischer Sänger auf der Bühne, mit großer körperlicher Präsenz. Fehlt Ihnen das nicht, wenn Sie Bach-Kantaten singen?
Michael Volle | Bildquelle: picture-alliance/dpa Michael Volle: Bei den Kollegen von der Akademie für Alte Musik und mir ist es immer eine besondere Aufstellung. Die Geigen, Bratschen, Oboen stehen allesamt, bis auf den Organisten und das Cello. Sie bilden einen Halbkreis und ich stehe nicht irgendwo weit weg, sondern mitten drin. Dieses eingebettet sein, ist so animierend. Bei "Ich freue mich auf meinen Tod" fällt es mir zum Beispiel sehr schwer, ruhig zu bleiben. Ich glaube, ich fange da leicht an zu tänzeln. Aber das ist das Maximum von dem, was man bei einem Konzert machen kann. Man kann da nicht plötzlich einen Handstand machen, sondern muss schon etwas an sich halten – obwohl die Musik einen zum Bewegen animiert, denn Musik ist ja Bewegung.
BR-KLASSIK: Das Körperliche wird also ausgeglichen durch eine Konstellation, die sie auf der Bühne schaffen.
Michael Volle: Das ist in diesen Ensembles gang und gäbe. Für mich ist das wunderschön, wenn man so eingebettet ist. Man ist einer unter vielen. Das Spielen mit den Musikern von der Akademie ist für mich eines der größten Geschenke in meiner Karriere.
Ich komme selten nach Hause und selten zu Bach. Das ist leider ein Negativum in unserem Geschäft.
BR-KLASSIK: Sie haben in den letzten Jahren ja sehr viel Neues ausprobiert, auch viele Rollendebüts gegeben, unter anderem den Falstaff. Wagner und Strauss haben Sie auch gesungen. Da ist Bach, auch in Hinblick auf Ihre Herkunft, so etwas wie ein nach Hause kommen, oder?
Michael Volle: Ich komme selten nach Hause und selten zu Bach. Mit Mozart ist es das gleiche. Das ist leider ein Negativum in unserem Geschäft. Die Leute taxieren einen und wenn man hauptsächlich bekannt ist für Oper, besonders für Wagner, Strauss oder Puccini. Dann sagen die Leute, er kann doch keinen Mozart singen. Das möchte ich an dieser Stelle nochmal als Blödsinn titulieren. Ich habe letztes Wochenende zum Beispiel mit meiner Frau "Le nozze di Figaro" konzertant gesungen und das ging besser denn je, weil meine Stimme Gott sei Dank funktioniert und ich mich darauf einstellen kann. Natürlich kann ich da mit meiner Stimme anders phrasieren und artikulieren, als ich es bei einem Hans Sachs tue. Und viele sagen eben auch: Bach – das geht ja gar nicht! Zum Glück merke ich, dass es mit der Akademie für Alte Musik gut klappt. Da ist es dann zum einen die richtige Stimmhygiene auf die es da ankommt. Die Musik von Bach ist zum anderen absolute Seelen- und Herzensnahrung für mich, der als Pfarrerssohn mit der Musik von Bach großgeworden ist. Das wird mir immer mehr bewusst und ich werde alles tun, um es so lang wie möglich möglich zu machen.
Sendung: "Allegro" am 27. Februar ab 06:05 Uhr in BR-KLASSIK
Donnerstag, 28. Februar 2019, 19.30 Uhr
Kleiner Goldener Saal, Augsburg
Johann Sebastian Bach
"Ich habe genug", BWV 82
"Der Friede sei mit Dir", BWV 158
"Ich will den Kreuzstab gerne tragen", BWV 56
sowie Instrumentalwerke
Michael Volle (Bariton)
Akademie für Alte Musik Berlin