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Gespräch mit Gabriela Montero "Improvisieren war immer ein Teil von mir"

Am 2. Juli tritt die venezolanische Pianistin Gabriela Montero in Ingolstadt auf. Im Interview spricht sie über die Kunst der Improvisation, mit der sie ihr Publikum stets aufs Neue begeistert und die sie schon als Kind beherrscht hat.

Bildquelle: © Shelley Mosman

Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Das Improvisieren am Klavier ist eine Tradition, die es lange gab. Bei Bach, Mozart und Beethoven war das übliche Praxis. Heutzutage wird das kaum noch praktiziert. Sie sind eine der wenigen Künstlerinnen, die das noch betreiben. Wie kamen Sie dazu?

Gabriela Montero: Ich improvisiere, seit ich ein kleines Mädchen bin. Das für mich der natürlichste Zugang zum Klavier, um Geschichten zu erzählen und meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Das war immer ein Teil von mir und meines künstlerischen Ausdrucks. Als ich mehr und mehr Zeit in die Vorbereitung meiner Konzerte investierte, wurde mir klar, dass ich dem Publikum auch diese Seite zeigen muss. Ich wollte die Mauer zwischen mir und den Menschen einreißen und sie daran teilhaben lassen. Sie können darum manchmal selbst entscheiden, was oder wie ich spielen soll. Mir war es wichtig, dass Sie verstehen, dass ich improvisiere. Es ist meine Art, das Publikum in dem Moment zu involvieren und gleichzeitig zu beweisen, dass das alles spontan passiert.

BR-KLASSIK: Nun erinnere ich mich noch an meinen Klavierunterricht: Da hat man vor allen Dingen vom Blatt gespielt und dieses freie Spielen wurde nie betrieben. Mir fiel es dementsprechend irrsinnig schwer zu improvisieren oder auch nach Gehör zu spielen. Sie sind in Venezuela groß geworden, wie lief das bei Ihnen ab? Haben Sie das im Unterricht geübt?

Gabriela Montero: Das war eine Technik, die ich schon immer beherrscht habe. Ich hatte mit vier Jahren meine erste Klavierstunde. Davor habe ich aber schon Klavier gespielt und meine Lehrerin merkte sofort, dass ich eigentlich nichts anderes machen wollte, außer zu improvisieren. Sie hat mich sehr darin bestärkt. Bis ich acht Jahre alt war, habe ich im Unterricht ausschließlich frei gespielt und der Lehrerin meine Ideen vorgespielt. Später habe ich natürlich auch Bach, Schubert und Beethoven gespielt. Das war, als ich das Ganze dann etwas ernster genommen habe. Im Grunde genommen ist Improvisieren für mich wie eine Unterhaltung. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Sprache und Musik.

Bis ich acht Jahre alt war, habe ich im Unterricht ausschließlich frei gespielt.
Gabriela Montero

BR-KLASSIK: Künstler, die so offen sind zu improvisieren und zu variieren, fällt es manchmal schwer, am Originaltext zu bleiben. Wie ist es Ihnen gegangen, wenn sie dann klassisches Repertoire gespielt haben? War das eine Herausforderung, sich immer getreu an das zu halten, was auf den Notenblättern steht?

Pianistin Gabriela Montero | Bildquelle: picture-alliance/dpa Gabriela Montero | Bildquelle: picture-alliance/dpa Gabriela Montero: Nun, dafür gibt es eine neurologische Erklärung. Es gibt eine Studie zu dem Thema, an der ich selbst teilgenommen habe. Dabei konnte man sehen, dass bei mir ganz andere Hirnteile aktiviert werden, wenn ich vom Blatt spiele, im Vergleich zur Improvisation. Das ist wirklich sehr unterschiedlich. Natürlich kann ich Sonaten von Mozart spielen und anfangen zu improvisieren. Ich meine, ich mache das bei den Konzerten ja schon mit den Kadenzen. Trotzdem bleibe ich immer genau bei den Noten. Es fühlt sich an, als wäre ich in der Welt von jemand anderem. Wenn ich Chopin spiele, dann bin ich bei ihm. Wenn ich Beethoven spiele, drücke ich mich in seiner Sprache aus. Das ist also stark voneinander getrennt.

BR-KLASSIK: In Ingolstadt werden Sie es auch wieder so halten. Sie beginnen Ihr Programm mit Bach, spielen danach Schumann und in der zweiten Hälfte improvisieren Sie dann. Sie Fragen das Publikum, was Sie hören wollen und improvisieren dann darüber. Hatten Sie schon mal das Gefühl, dass die Inspiration nicht in Ihre Finger übergeht, dass Ihnen die spontanen Ideen ausgehen?

Gabriela Montero: Nein, es ist als würde man zu Hause den Wasserhahn aufdrehen - da kommt immer Wasser 'raus. Es fließt einfach. Das passiert direkt, ohne Verzögerung, denn ich bewege mich ja fast ständig in dieser musikalischen Welt. Mein Mann hat schon hunderte Konzerte von mir gehört. Er ist immer fasziniert davon, wie ich zehn Minuten vor einem Auftritt noch mit unseren Töchtern skypen kann, und dann auf der Bühne plötzlich diese Klänge aus mir heraushole. Es ist wie eine natürliche Kraft, die in dem Moment von mir Besitz ergreift.

Die Fragen stellte Falk Häfner für BR-KLASSIK.
Sendung: "Leporello" am 30. Juni 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Gabriela Montero in Ingolstadt

Sonntag, 02. Juli, 19.30 Uhr
Stadttheater Ingolstadt, Festsaal

Im Rahmen der Audi Sommerkonzerte

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