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Joshua Bell Dirigieren mit dem Geigenbogen

Für Joshua Bell fallen viele Unstimmigkeiten weg, wenn er gleichzeitig Solist und Dirigent ist. Wenn der Geiger dann auch noch Musik mit einem guten Freund wie Steven Isserlis machen darf, könnte es für ihn nicht besser sein.

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BR-KLASSIK: Joshua Bell, wie blicken Sie dem Konzert am Montag in Regensburg entgegen?

Joshua Bell: Ich genieße diese Europa-Tour sehr. Damit geht für mich ein Traum in Erfüllung. Ich kann mit der fantastischen Academy of St Martin in the Fields musizieren, einem Orchester, das ich sehr mag, und mit dem ich sehr viel zusammenarbeite. Außerdem ist einer meiner besten Freunde, Steven Isserlis, mit dabei. Besser könnte es also gar nicht sein. Ich freue mich schon seit Jahren darauf.

BR-KLASSIK: Sie dirigieren die Academy und stehen gleichzeitig als Solist mit dem Cellisten Steven Isserlis beim Doppelkonzert von Brahms auf der Bühne. Wie machen Sie das gleichzeitig?

Joshua Bell: Inzwischen bin ich es schon gewohnt, als Solist und Dirigent zugleich aufzutreten. Die Academy of St Martin in the Fields ist in dieser Hinsicht ganz besonders, weil die Musiker gut zuhören und auf den Solisten reagieren können. Ich habe aber schon das Tschaikowsky-Konzert und das Violinkonzert von Brahms ohne Dirigenten gespielt. Es ist ganz einfach und irgendwie selbstverständlich. Das Doppelkonzert ist tatsächlich eine Herausforderung. Wir wußten vorher nicht, wie es funktionieren wird. Aber inzwischen haben wir es schon ein paarmal gespielt und es klappt hervorragend. Alles ist sehr organisch.

BR-KLASSIK: Legen Sie während dem Doppelkonzert auch mal ihre Vier-Millionen-Dollar Stradivari aus der Hand und greifen stattdessen zum Taktstock?

Geiger Joshua Bell | Bildquelle: Richard Ascroft Ist seit 2011 Musikdirektor der Academy of St Martin in the Fields: Joshua Bell | Bildquelle: Richard Ascroft Joshua Bell: Erst einmal ist der Preis der Stradivari nicht ganz korrekt. Wahrscheinlich ist sie sogar mehr wert. Es ist ganz lustig, dass Steven Isserlis ein Stradivari-Cello spielt und ich eine Geige von Stradivari. Das steht ein beachtliches Instrumentenpaar auf der Bühne. Beim Dirigieren behalte ich die Geige in der Hand und dirigiere mit dem Bogen. 

BR-KLASSIK: Wie meinen Sie das?

Joshua Bell: Wenn ich gerade nicht spiele, kann ich mit dem Bogen oder mit der Hand dirigieren. Wenn ich spiele, gibt es andere Möglichkeiten, das Orchester zu leiten und ihnen Zeichen zu geben. Dieses Orchester kennt mich nach all den Jahren gemeinsamer Arbeit so gut, dass sie alle meine Gesten interpretieren können. Sie wissen, was ich meine, wenn ich meine Augenbrauen hebe oder in die Knie gehe.

BR-KLASSIK: Braucht es da ein Coaching für die Musiker? Es ist ja doch anders, wenn ein Solist dirigiert.

Joshua Bell: Es ist wirklich das Gleiche, nur dass der Solist hier zwei Funktionen übernimmt. Das Wichtige beim Dirigieren ist, dass man eine genaue Vorstellung davon hat, wie ein Werk gespielt werden soll. Natürlich ist beim Doppelkonzert auch Steven Isserlis involviert. Aber ein Dirigent erklärt ja bereits in den Proben, wie das Stück angelegt und entwickelt werden soll. Dazu kommt dann der Moment auf der Bühne. Es ist eine Kombination aus Coaching, Inspiration, Improvisation und vielem anderen. Aber ich werde immer Geige spielen, ich möchte nicht nur Dirigent sein.

BR-KLASSIK: Wenn der Solist auch der Dirigent ist, fallen Unstimmigkeiten weg. Dirigieren Sie deswegen?

Joshua Bell: Ja, schon. Ich habe zum Beispiel das Beethoven-Violinkonzert schon unzählige Male gespielt; mit guten, aber auch mit weniger guten Dirigenten. Wenn man ein Stück so gut kennt, weiß man, wie man jedes kleinste Detail haben möchte. Als Solist muss man sich dem Dirigenten fügen, man kann ja nicht einfach die Leitung der Probe übernehmen. Wenn ich nun selbst dirigiere, kann ich alle Einzelheiten so erarbeiten, wie ich es schon immer wollte. Das ist wirklich ein Traum. Natürlich ist es immer noch wunderbar, wenn ich mit einem großartigen Dirigenten zusammenarbeiten kann. Aber diese Form der Arbeit gefällt mir immer besser.

Konzert in Regensburg

Montag, 18. Januar 2016, 20.00 Uhr - Audimax der Universität Regensburg
Joshua Bell: Violine und Leitung
Steven Isslerlis: Violoncello
Academy of St Martin in the Fields

Johannes Brahms: Doppelkonzert für Violine und Cello in a-Moll, op. 102
Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 5 in c-Moll, op. 67

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