Als andere Kinder im Hof spielten, bevorzugte der kleine Kit im Alter von drei Jahren die Lektüre des Wallstreet Magazins, weil es zufällig im Wohnzimmer herumlag. Mit sieben studierte Kit Armstrong schon Komposition. 2016 eröffnete der heute Pianist das Mozartfest Würzburg - mit Mozarts Klavierkonzert in d-Moll.
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BR-KLASSIK: Kit Armstrong, mit sieben Jahren nahmen Sie Ihr Kompositionsstudium auf, mit neun sattelten Sie das Mathematik- und Naturwissenschaftsstudium in London und Paris drauf. Sind Sie ein überdurchschnittlich neugieriger Mensch?
Kit Armstrong: Ich glaube schon, aber es ist natürlich immer gefährlich zu versuchen, sich in einen früheren Zustand zu versetzen. Das möchte ich auch nicht so pauschal tun, weil ich nicht wirklich wissen kann, was in mir damals vorging. Die einzige Möglichkeit, die ich noch habe, das zu verstehen oder mir nochmals vorzustellen, ist durch die Musik. Ich habe damals im Alter von fünf Jahren angefangen zu komponieren, und wenn ich mir heute diese Kompositionen anhöre oder anschaue, dann habe ich das Gefühl, dass ich das damalige Ich etwas besser verstehen könnte.
BR-KLASSIK: In Hirson, ungefähr zehn Kilometer von der belgischen Grenze entfernt, gibt es eine große Kirche, die heißt Sainte-Thérèse-de-l’Enfant-Jésus: 1929 gebaut im Art-deco-Stil. Diese Kirche gehört Ihnen - das ist ziemlich ungewöhnlich. Wie sind Sie darauf gekommen, eine Kirche zu erwerben?
Kit Armstrong: Es ist einfach ein Raum, der mir ganz viele Möglichkeiten bietet, etwas Eigenes zu gestalten. Als Musiker habe ich natürlich oft die Erfahrung gemacht, in Kirchen zu spielen und das hat mir immer sehr gut gefallen. Erstens wegen der akustischen Bedingungen, und auch wegen der Symbolik: dass man die Musik als etwas betrachtet, was auf einer höheren Ebene existiert und wiederzugeben ist. Ich habe dieses Gebäude vor fast vier Jahren zum ersten Mal gesehen, es hat mich sehr fasziniert, es ist eine sehr interessante und schöne Mischung aus ganz vielen Baustilen. Ich habe schon einige Konzerte dort veranstalten können - mit der Unterstützung des regionalen Publikums und der Stadt.
BR-KLASSIK: Sie haben von der Musik als etwas gesprochen, das auf einer höheren Ebene existiert. Ist die Musik für Sie - ich komme auf die Naturwissenschaften zurück, die Sie studiert haben - so etwas wie eine Ars combinatoria, also die Kunst des Kombinierens und dabei des Suchens nach dem innersten Geheimnis?
Kit Armstrong: Ich denke sehr gerne an ein Zitat von Glenn Gould, der sinngemäß gesagt hat: Das Musikalische, das ihn interessiere, sei das Ergebnis eines langen, wunderlichen Zustands und nicht eines Moments. Ich stimme da vielleicht nicht hundertprozentig zu, weil ich als "Bühnentier" auch den Moment sehr genieße. Und ich finde schon, dass man bei der Musik auch die Möglichkeit hat, in einem Moment etwas Berührendes auszusagen, was dann auch unvergesslich bleibt.
BR-KLASSIK: Ich habe mal ein Zitat von Alfred Brendel gelesen, in dem er sagt: Um wirklich überzeugend zu spielen, muss der Klavierstuhl brennen.
Kit Armstrong: In dieser Hinsicht habe ich Alfred Brendel wirklich sehr viel zu verdanken. Vielleicht liegt es mir von Natur aus nicht so, dass ich gleich auf die Idee komme, dass etwas durch Leidenschaft oder nur durch gezeigte Leidenschaft zur Geltung kommen kann. Es gibt Musik, bei der ich überzeugt bin - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt -, dass sie nicht verbessert wird dadurch, dass man etwas von sich selbst und von der eigenen Reaktion zeigt. Es gibt aber auch Musik, wo ich erkenne, dass genau dies nicht der Fall ist.
BR-KLASSIK: In diesem Jahr sind Sie Artiste étoile beim Mozartfest in Würzburg. Mit welchem besonderen Fokus, mit welchen dramaturgischen Ideen gehen Sie diese Aufgabe an?
Kit Armstrong: Ein sehr interessantes Projekt, das ein Bestandteil des Mozartfests ist, ist die Neuvertonung von Liedern Mozarts. Ich glaube immer noch, dass die Mozart-Lieder zu selten aufgeführt werden. Ich habe zusammen mit Frau Meining, der Intendantin des Mozartfests, die Idee entwickelt, diese Texte, von denen manchmal nur Teile von Mozart vertont worden sind, zu nehemn und die anderen Teile auch in Musik zu übersetzen. Wenn man nur die ersten vier Strophen sieht, wie Mozart das gemacht hat, hat man einen völlig anderen Eindruck von diesem Gedicht, als wenn man es als Ganzes betrachtet. Und ein wenig ist es auch mein Anliegen, Rossinis Figaro dem Mozartschen gegenüberzustellen.
BR-KLASSIK: Sie haben noch andere Interessen, die außer der Musik für Sie eine große Rolle spielen: Was fasziniert Sie an der Kunst des japanischen Origami?
Kit Armstrong: Die erste Ebene ist die Entwicklung und die Technik. Und auf der zweiten Ebene ist es einfach so, dass das Ergebnis optisch sehr schön ist. Und diese zwei Dinge hängen zusammen - wie bei der Musik.
Das Gespräch führte Ursula Adamski-Störmer für BR-KLASSIK.