Stradivari oder Guarneri? Was passt besser zu Brahms? Und wer bestimmt auf der Bühne eigentlich das Tempo - Dirigent oder Solistin? BR-KLASSIK traf die georgische Geigerin Lisa Batiashvili zum Interview.
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BR-KLASSIK: Frau Batiashvili, Sie haben eine Zeit lang auf einer Stradivari mit dem Namen Ex-Joachim gespielt. Diese Geige hat mal Joseph Joachim gehört. Das war ein Freund von Johannes Brahms, für den dieser sein Violinkonzert geschrieben hat. Joachim hat ja sogar ein bisschen daran mitkomponiert. Hat Ihnen das irgendwie das Gefühl gegeben, diesem Geiger näher zu kommen? Vielleicht damit auch etwas über die klangliche Konzeption zu erfahren, die dahinter stehen könnte?
Lisa Batiashvili: Ich habe diese Geige vor drei Jahren für ein ganzes Jahr spielen dürfen. Unter anderem auch, um eine Aufnahme mit dem Brahms-Violinkonzert zu machen. Und das war wirklich eine ganz fantastische Erfahrung. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass der Klang dieses Instruments einfach perfekt zu dieser Musik gepasst hat. Ich weiß, dass Joachim mehrere Stradivaris hatte und kann nicht sagen, auf welcher Geige er das Violinkonzert gespielt hat. Aber für mich war die Intensität dieses Tones einfach sehr angenehm. Inzwischen habe ich eine Guarneri del Gesù, ein anderes Instrument mit einem ganz anderen Charakter und einer Klangqualität, die wirklich unglaublich ist. Sie klingt in jedem Saal fantastisch. Diese Guarneri kann alles. Und das ist natürlich ein großes Glücksgefühl. Man kann sehr leise spielen und bleibt trotzdem hörbar. Aber man muss auch nicht aufpassen, dass sie zu laut wird, weil sie sehr gut gehorcht und sehr flexibel ist. In dem Moment, wo man ein Instrument hat, das einen wie ein guter Partner unterstützt, kann man sich voll auf die Musik konzentrieren.
Der Klang dieses Instruments passte perfekt zur Musik.
BR-KLASSIK: Es ist gut, wenn das eigene Instrument macht, was man möchte. Dann müssen nur noch die Musiker im Orchester und auch der Dirigent das machen, was man sich erhofft.
Lisa Batiashvili: Ja, sicherlich. Das sind dann immer sehr interessante Begegnungen. Ich finde es wirklich unglaublich, wie viele interessante Musiker es heutzutage gibt - auch unter den jungen Dirigenten. Wie viele es sind, die auch musikalisch viel zu bieten haben und die auch in jungen Jahren technisch schon vollkommen sind.
BR-KLASSIK: Zum Beispiel Lionel Bringuier, mit dem sie jetzt das Brahms-Violinkonzert machen. Sie sind ja auch Artist in Residence beim Tonhalle-Orchester Zürich.
Lisa Batiashvili: Ganz genau. Das ist ein fantastisches Orchester. Es ehrt mich auch sehr, dieses Jahr mit ihnen noch mehrmals auftreten zu dürfen. Wir haben im September schon das Brahms-Doppelkonzert dort aufgeführt, später auch das Sibelius-Konzert. Im Juni werde ich mit dem Dvořák-Violinkonzert nach Zürich zurückkehren. Und jetzt ist natürlich die Zeit, wo wir auf Tournee gehen. Das ist auch sehr schön mit dem Brahms-Violinkonzert und seinem Doppelkonzert, den beiden großen Werken von Brahms. Und Lionel ist natürlich ein großes Talent. Er ist noch keine 30 Jahre alt und hat schon so viel gemacht. In Verbindung mit diesem Orchester ist das natürlich ein ganz besonderes Erlebnis.
BR-KLASSIK: Wer bestimmt eigentlich über das Tempo - Sie oder der Dirigent?
Lisa Batiashvili: Oh, ich hoffe, dass die Musik das bestimmt. Ich finde, das ist am schönsten: wenn man kommt und spielt, und die Musik uns sagt, welches Tempo gespielt werden soll.
BR-KLASSIK: Und das tut sie auch. Vielleicht zeigt sie ja dem einen ein bestimmtes Tempo und dem anderen ein anderes Tempo - wie der berühmte Fall von Leonard Bernstein und Glenn Gould, wo sich Bernstein dann sogar vor dem Publikum von den extremen Tempovorstellungen Goulds distanziert hat.
Lisa Batiashvili: Sicherlich. Ich denke aber, heute sind wir viel offener, weil wir einfach sehr viel mehr gehört haben - auch wie andere das machen. Und weil wir auch bereit sind, etwas auszuprobieren. Vielleicht auch, weil wir in jungen Jahren mehr mit verschiedenen Leuten spielen. Ich hatte noch nie das Problem, dass ich mit einem Tempo wirklich sehr unglücklich war und trotzdem mitmachen musste. Ich glaube, wenn die Musik richtig schwingt, dann stellt man sich die Frage über das Tempo gar nicht. Wenn irgendetwas nicht funktioniert, wenn man nicht wirklich zusammen ist mit dem Orchester, wenn es keine Bewegung hat, wenn es vielleicht zu schnell ist oder wenn man es technisch nicht gut hinkriegt, dann ist es ein Problem des Tempos. Und dann kann man vielleicht was anderes ausprobieren. Aber ich denke, dafür sind die Proben da, dass die Menschen einfach eine gemeinsame Sprache finden.
BR-KLASSIK: Ist es für Sie etwas Besonderes, in München zu spielen? Es ist ja Ihre Wahlheimat. Und hier haben Sie Ihren Mann kennengelernt, den Oboisten François Leleux. Vor zwei Jahren sind Sie - nach einer gewissen Zeit in Frankreich - wieder nach München zurückgekommen. Haben Sie das Gefühl, dass die Münchner Sie besonders mögen oder dass da so eine besondere Kommunikation entsteht?
Ich möchte mich durch die Musik mit den Menschen verbinden.
Lisa Batiashvili: Eigentlich muss ich gestehen, dass ich in München am wenigsten überhaupt spiele. Das hat sich einfach so ergeben. In sehr vielen anderen Städten spiele ich viel mehr und habe dort auch wirklich mein Publikum. Ich bin nicht die einzige, der das so geht. Es kommt ziemlich oft vor, dass die Menschen in der Stadt, in der sie leben, nicht unbedingt am meisten auftreten. Dieses Phänomen gibt es.
BR-KLASSIK: Der Prophet im eigenen Lande, heißt es immer.
Lisa Batiashvili: Ja, aber das ist kein großes Problem. Natürlich hab ich in den letzten zehn Jahren hier immer wieder ziemlich viel gespielt - weniger mit Gastorchestern. Mehr mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder auch dem Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks zum Beispiel. Oder ein paar Mal auch mit den Münchner Philharmonikern. Natürlich ist es etwas Besonderes, zuhause zu spielen, weil meine Familie dabei sein wird und dann auch meine Freunde. Ja, aber letztlich verbinde ich auch kein besonderes Gefühl damit, beispielsweise in Georgien zu spielen, nur weil ich da auch zuhause bin. Letzten Endes ist man einfach in der Musik drin. Wenn man dann auf der Bühne steht, möchte man eigentlich für jedes Publikum das gleiche machen: sich durch die Musik mit den Menschen verbinden.
Dienstag, 19. April 2016, 20 Uhr
Philharmonie im Gasteig, München
Johannes Brahms: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77
Antonín Dvořák: Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88
Tonhalle-Orchester Zürich
Lisa Batiashvili, Violine
Leitung: Lionel Bringuier