An Theatern und in Konzertsälen wie der weltberühmten Mailänder Scala dürfen wieder Aufführungen mit Besuchern stattfinden, wenn auch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Anders sieht es an kleinen Häusern aus: Dort wächst vor den Eingängen sprichwörtlich das Gras und die Pforten bleiben zu. Das finanzielle Risiko für eine Produktion ist einfach zu groß – zum Leidwesen der Schauspielerszene.
Bildquelle: Teatro alla Scala / Paola Primavera
Es ist ein ungewohnter Anblick am Abend des 10. Mai in der Mailänder Scala. Den Auftakt, also das erste Konzert vor Publikum seit Ende Oktober, übernimmt Chefdirigent Riccardo Chailly persönlich, samt hauseigenem Orchester und Chor. Die Musiker tragen bis auf die Bläser schwarze Masken. Sie sitzen weit verteilt im Zuschauerraum, die Gäste nur auf den Logen. Auf dem Programm stehen unter anderem Stücke von Giuseppe Verdi und Peter Tschaikowsky, aber auch von Richard Strauss und Richard Wagner mit Teilen der "Meistersinger von Nürnberg". Wenn der Gesang etwas gedämpft klingt, dann liegt das an den Masken, die auch der Chor trägt. Nur die norwegische Sopranistin Lise Davidsen darf ohne Mund-Nasen-Bedeckung singen.
Einlasskontrolle für Besucherinnen und Besucher der Mailänder Scala: Am 10. Mai 2021 öffnete das Opernhaus wieder für Publikum. | Bildquelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Claudio Furlan Der Saal ist für mehr als 2000 Gäste ausgelegt, aber kommen dürfen höchstens 500. Diese Regel, dass maximal jeder vierte Platz belegt werden darf, gilt in Italien für alle Theater, Kinos und Konzertsäle. Der Einlass in die Mailänder Scala erfolgt nach einem bestimmten Schema und erst, nachdem bei jedem Besucher die Körpertemperatur gemessen wurde. Selbstverständlich gilt Maskenpflicht auch am Platz. Um Ansammlungen zu vermeiden, gibt es weder Garderobe noch Getränke.
Was an großen und halbstaatlichen Häusern wie der Mailänder Scala funktioniert, bereitet kleinen Theatern und Konzertsälen Kopfschmerzen. Schauspieler Guido Taccetti aus Rom ist 35 und hat viel auf einer kleinen Bühne im Stadtteil Trastevere gespielt, dem Teatro La Comunità. "Es reicht nicht zu sagen: Nun macht die Theater wieder auf", kritisiert er. "Die meisten Aufführungen können gar nicht wieder stattfinden. Selbst große, aber private Theater mit 900 Plätzen werden nicht wieder aufsperren." Denn es genüge ein positiver Fall bei einer Produktion und womöglich müsse alles abgebrochen werden. "Und es dürfen nur ein Viertel der Zuschauer rein. Kein Theater wird also das Risiko eingehen und sich verschulden, wenn dann nicht genügend Einnahmen reinkommen", ist sich Taccetti sicher.
Das Publikum sitzt in den Logen, das Orchester spielt im Parkett: Wiedereröffnung der Mailänder Scala am 10. Mai 2021. | Bildquelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Claudio Furlan Vor seinem Theater in Trastevere wachsen die Brennesseln inzwischen einen Meter hoch. Das Gittertor ist mit einer rostigen Kette samt Vorhängeschloss zugesperrt. Dahinter, vor dem Eingang, hat sich Müll angesammelt. Wann es hier mal weitergeht, steht in den Sternen. Die Theater und Schauspielerszene fordert deshalb vom italienischen Staat mehr Unterstützung, beispielsweise, indem die Einkommen weiter gezahlt werden. "Schon vorher war die Situation prekär", erzählt Taccetti. "Dieser Stopp von fast einem Jahr zwingt den Theaterbereich jetzt in die Knie. Wir müssen in Sicherheit wieder aufmachen können." Das heißt für Taccetti auch: Die Verschuldung eines Theaters muss gesichert sein, wenn so viele Plätze leer bleiben müssen, ebenso die Miete und Betriebskosten. "Wenn die Regierung das Geld nicht in die Hand nimmt, zerstört es ganze Generationen von Theaterschaffenden. Dann riskiert es eine Katastrophe."
Die letzte Tranche an Hilfsgeldern hat Guido Taccetti im Januar bekommen: 2400 Euro für drei Monate. Italiens Regierung entscheidet in den nächsten zwei Wochen, ob es noch einmal eine weitere Zahlung geben wird. Guido Tacetti versucht es inzwischen auch mit Castings bei Fernseh- und Werbeproduktionen. Und was das Theater angeht, hat er eine große Hoffnung: "Ich glaube, es gibt die Chance auf einen Neuanfang. Weil die Gesellschaft, die ein Jahr ohne Theater gelebt hat, spürt, wie sehr das gefehlt hat. Vielleicht wird es eine Diskussion darüber geben, warum wir ins Theater gehen. Etwas, das wiederentdeckt wird nach diesem ganzen Stopp."
Sendung: "Leporello" am 11. Mai 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Sonntag, 16.Mai, 20:32 Uhr
Ron Thom
Vom Betreffenden her
Was müsste unternommen werden, um den Gast zu schützen, was müsste unternommen werden, um den Darsteller zu schützen?