Im Juni 2017 stand Jonas Kaufmann in London erstmals als Otello in Giuseppe Verdis gleichnamiger Oper auf der Bühne. Die Erwartungen waren hoch - und wurden etwas enttäuscht, wenn auch auf sehr hohem Niveau.
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Kritik - Jonas Kaufmann als Otello in London
Julia Schölzel im Gepräch mit Manuel Brug
Jonas Kaufmann habe alles für die Rolle als Otello, sagt Musikkritiker Manuel Brug im Gespräch mit BR-KLASSIK: Ausdruck, Intelligenz und darstellerisches Können - nicht aber die Otello-Stimme. Deshalb habe ihn der Tenor etwas enttäuscht, wenn auch auf "sehr sehr hohem Niveau". Kaufmanns Stimme fehlte nach Brugs Einschätzung die starke Mittellage, "so wie das Placido Domingo hatte". Domingo verkörperte Otello 25 Jahre lang auf der Opernbühne.
Dirigent Antonio Pappano, mit dem Jonas Kaufmann unbedingt bei seinem Rollendebüt als Otello zusammarbeiten wollte, habe bei der Premiere "eine tolle Leistung" gebracht. "Da wurden unglaublich viele Nuancen und Details herausgeholt aus diesem sehr schwarzen, sehr dunklen und sehr tristen Stück", so Brug.
Bei den emotionalen Höhepunkten sei der britische Dirigent allerdings sehr laut geworden, "was Jonas Kaufmann nicht unbedingt so bekommen ist". Der Tenor habe gegen eine Wand von Orchesterklängen ansingen müssen. Musikritiker Manuel Brug ist nicht davon überzeugt, dass der Verdi-Klassiker ein Repertoire-Stück von Kaufmann werde.
Kaufmann hatte lange mit seinem Rollendebüt als Otello gewartet und zahlreiche frühere Angebote abgelehnt. Die Verdi-Oper feierte am 21. Juni 2017 am Royal Opera House in London Premiere. Die Neuinszenierung von Keith Warner habe nicht weiter gestört, so Manuel Brug, aber auch keine neuen Aspekte geliefert.
Sendung: "Allegro" am 22. Juni 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK.