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Christian Gerhaher: Klage gegen Kultur-Lockdown Klassik-Künstler wollen vor Gericht ziehen

Mindestens 25 Bühnenkünstlerinnen und -künstler wollen gerichtlich gegen die pauschale Schließung von Konzert- und Opernhäusern zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorgehen. Sie sehen bei den aktuellen Maßnahmen den Verfassungsrang von Kultur nicht ausreichend berücksichtigt. Am 7. Dezember 2020 sollte hierzu beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München ein Eilantrag eingehen. Nach der Ausrufung des Katastrophenfalls in Bayern stellten die Künstler ihr Anliegen vorerst zurück. Aber die Forderungen bleiben.

Bildquelle: Gregor Hohenberg / Sony Classical

Eigentlich wollten am Montag 25 international renommierte Bühnenkünstlerinnen und -künstler vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ziehen und mit einem Eilantrag gegen die pauschale Schließung aller Konzert- und Opernhäuser zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie klagen. Konkret sehen die Künstler, darunter der Bariton Christian Gerhaher, der Tenor Kevin Conners und der Dirigent Hansjörg Albrecht, den Verfassungsrang von Kultur beeinträchtigt. Doch nun mussten die Initiatoren ihr Anliegen kurzfristig zurückstellen. Denn mit der Ausrufung des Katastrophenfalls in Bayern am 6. Dezember gilt nun eine neue Rechtslage und die Klageschrift muss aktualisiert werden.

Anwalt: Konzerte haben ähnliches Recht wie Gottesdienste und Demos

Die Künstlerinnen und Künstler wollen die Klage zu einem späteren Zeitpunkt einreichen. Unterstützt werden sie vom Rechtsanwalt Wolfram Hertel aus der Berliner Kanzlei Raue, die auf Kunst und Kultur spezialisiert ist. Hertel rechnet damit, dass der Verwaltungsgerichtshof die bestehenden Einschränkungen für Kulturveranstaltungen aufheben werde. Bei einer Pressekonferenz in München erläuterte er, die Kultur stehe weitgehend unter dem Schutz des Grundgesetzes, ähnlich wie die Religions- und Versammlungsfreiheit. Während jedoch Gottesdienste und Demonstrationen weiterhin stattfänden, seien Theater und Konzertsäle geschlossen. Das sei zwar im "Einzelfall" möglich, so Hertel, nicht jedoch "pauschal" und längerfristig.

Christian Gerhaher fordert neue Regelungen für Besucherzahlen

Christian Gerhaher, einer der Initiatoren, will mit der Klageschrift außerdem erreichen, dass zukünftig die pauschalen Beschränkungen der Besucherzahlen von Kulturveranstaltungen aufgehoben werden. Im Interview mit BR-KLASSIK verweist Gerhaher auf die Studienergebnisse der Pilotphase an der Bayerischen Staatsoper im Herbst, bei der die Wissenschaftler keine erhöhte Infektionsgefahr bei 500 Personen im Zuschauerraum feststellen konnten. "Es wäre zu hoffen, dass angesichts dieser Studie und einer gerichtlichen Klärung im positiven Fall eine Art Schlüssel für die Belegung eines Saals erstellt werden kann, abhängig etwa von der Größe und dem Inzidenzwert", so Gerhaher.

Ich habe Sorge, dass die Corona-Krise auf die spätere 'Akzeptanz' der Kulturangebote und auf die finanzielle Lage der Anbieter erhebliche Auswirkungen haben wird.
Christian Gerhaher

Der Bariton kritisiert auch die Tatsache, dass die Theater in Bayern bis Ende Januar geschlossen bleiben sollen, während Frankreichs Theater ab dem 15. Dezember wieder Vorstellungen geben dürfen und auch Österreich trotz hoher Inzidenz am 7. Januar die Spielstätten wieder öffnen möchte. Diese Zurückhaltung in Deutschland ist für Gerhaher "ein Zeichen, das vor allem von Negativität geprägt ist. Und es tut uns allen meiner Ansicht nach nicht gut."

Weitere Künstler wollen sich anschließen

Christian Gerhaher und alle anderen beteiligten Künstlerinnen und Künstler der Initiative hatten Engagements bis zum 20. Dezember, die abgesagt wurden. Nachdem nun die Corona-Maßnahmen verschärft wurden, können sich weitere Künstlerinnen und Künstler der Klageschrift anschließen, die von stornierten Auftritten betroffen sind. 77 haben bereits ihre Unterstützung signalisiert.

Sendung: "Leporello" am 7. Dezember 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK