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Kommentar – Corona und die Folgen Langfristige Schäden im Kulturbereich

2021 war ein schwieriges Jahr für die Kultur. Für einzelne Künstler*innen genauso wie für Theater und Konzerthäuser. Was das jetzt für die Zukunft bedeutet und welche Schäden – zumindest vorerst – bleiben, darüber hat sich Maria Ossowski Gedanken gemacht.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Das hat es in der Geschichte der Berliner Philharmoniker noch nie gegeben: Seit Jahrzehnten war das Silvesterkonzert – Treffpunkt feierlauniger Klassikfans und Prominenz – schon Monate vorher ausverkauft. Und heute erscheint täglich auf Facebook die Werbung: "Es gibt noch Karten für ein wie gewohnt populäres heiteres Programm." Auch beim traditionsreichen Silvesterkonzert zeigt sich jenes Phänomen, das alle Theatermacher, alle Konzertveranstalter und Opernintendanten oder die Kinobetreiber kennen: Selbst mit bestem Hygienekonzept und perfekter Lüftung gibt es für fast alle Veranstaltungen zu viele übriggebliebene Karten. Egal, ob nur 25 Prozent der Plätze besetzt werden dürfen wie in Bayern, oder in der Berliner Philharmonie fast alle.

2021: ein bitteres Corona-Jahr für die Kulturbranche

Während der Corona-Pandemie boomen die Streamingdienste. | Bildquelle: Lukasz Rajchert/Montage BR Die Umsatzeinbußen in der Kultur- und Kreativwirtschaft sind wahrscheinlich auch 2021 – so wie im vergangenen Jahr – höher als im Tourismus gewesen. Warum ist es so? Stören die Masken so sehr, dass wir lieber zu Hause bleiben? Ist es die Angst vor der Ansteckung? Das fehlende Sehen und Gesehen-Werden? Das Tabu, in den Pausen, den Sekt in der einen Hand, mit der anderen die eines Freundes zu schütteln? Die Sehnsucht nach der früheren Unbeschwertheit, die es so nicht mehr gibt und die wir in absehbarer Zeit auch nicht werden genießen können? Es ist eine Melange aus all diesen Gründen, weshalb auch das dritte Jahr der Pandemie, trotz der Impfungen und ihrer Auffrischungen, für die Kultur ein bitteres werden wird. Ein weiteres bitteres Jahr für die 260.000 Unternehmen und die über 1,8 Millionen Erwerbstätigen, die im Kultur- und Kreativsektor arbeiten. Jene Kulturbranchen übrigens, in denen menschliche Nähe keine entscheidende Rolle spielt, boomen: der Kunstmarkt und besonders stark die Streamingdienste.

Entwöhnung vom Live-Erlebnis in der Pandemie

"Nie kann das Netz ein Live-Konzert vor Ort ersetzen, eine Theaterpremiere, ein Tanzevent", heißt es dann in Sonntagsreden und unter Bildungsbürger*innen. Das Problem: Es geschieht, es passiert. Und es wird weiter geschehen, solange uns die Pandemie fest im Griff hält. Die Frage, die alle Kulturschaffenden umtreibt: Wie sehr gewöhnen wir uns daran? Wie sehr korrumpiert uns die Bequemlichkeit, zu Hause bedient zu werden – in immer besserer Qualität? Klar, der Austausch zwischen Künstler*innen und Publikum fehlt. Aber wie lange werden wir ihn noch vermissen? Wenn die Rückkehr in die Normalität in immer weitere Ferne rückt, bleibt uns später dann die Geduld, sich wieder um Karten zu kümmern, anzureisen, anzustehen, zurückzufahren? Und aus der Perspektive der Schauspielerinnen und Tänzer, der Sängerinnen und Instrumentalisten: Lohnt es sich dann überhaupt noch, täglich zu üben, permanent Absagen zu kassieren und trotzdem durchzuhalten? Wir alle wünschen es uns.

Kultur als Staatsziel – hoffentlich nicht zu spät

Die finanziellen Unterstützungen in Deutschland sind mit über zwei Milliarden Euro für den "Neustart Kultur" höher als in den meisten anderen Ländern. Dennoch wird die Krise die Kulturbranche länger als alle anderen Bereiche treffen. Kultur soll laut Koalitionsvertrag als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden. Das ist eine sehr schöne Initiative. Wir können nur im Interesse aller, die Kultur lieben, hoffen, dass sie nicht zu spät kommt.

Sendung: "Allegro" am 28. Dezember 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK