In Wien wurde er geboren, musste noch als Kind vor den Nazis fliehen und reifte in England zu einem der wichtigsten Komponisten des Königreichs. Vor allem aber zu einem der vielseitigsten. Jetzt ist Joseph Horovitz im Alter von 95 Jahren verstorben.
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Nicht mehr als einen Rucksack hatte er dabei, damals im Frühjahr 1938. Das hat Joseph Horovitz einmal in einem Interview mit BR-KLASSIK erzählt. Die Flucht vor den Nazis wurde als "später Skiausflug" getarnt. Und sie gelang. Als 11jähriger kam Horovitz über Tirol nach London und begann dort ein zweites Leben. Eines, das ganz der Musik gewidmet war.
Hören Sie hier das Lento aus Horovitz' Sonatine für Klarinette und Klavier, gespielt von Sebastian Manz und Martin Klett im BR-KLASSIK-Studiokonzert am 22. Januar 2019.
Als Spross einer österreichisch-jüdischen Intellektuellenfamilie (der Vater verlegte Kunstbücher), war der kleine Joseph musikalisch natürlich nicht ganz unbeleckt. In Wien habe damals quasi jeder Klavier gespielt, der nicht völlig verarmt gewesen sei, erinnerte sich der Komponist einmal – um mit milder Ironie hinzuzusetzen: Er sei definitiv sehr bürgerlich aufgewachsen.
Ich bin ein ganz reaktionärer, vom Jazz beeinflusster, fast verbissener Tonalist. Bis dahin war es ein weiter Weg.
In England hochgeachtet: Horovitz (r.) mit der Queen | Bildquelle: divers 2007 war das. Im Rahmen eines wirklich hörenswerten Oral History-Projekts des Royal College of Music – jener Institution, der Horovitz über Jahrzehnte hinweg eng verbunden war. Erst als Kompositionsstudent. Später – nach Studien bei Nadia Boulanger in Paris und einer Weile als musikalischer Leiter des Old Vic-Theatre in Bristol und als Korrepetitor und Cembalist in Glyndebourne – wurde Horovitz eben dort zum Professor für Komposition berufen.
Als Komponist war Horovitz außerordentlich vielseitig. Nicht nur was die Gattungen angeht: Oper, Ballett, Instrumentalmusik, Solokonzert, Kammermusik, Chormusik, viel Brass Music, auch Soundtracks – alles dabei. Außerdem spielte er leidenschaftlich mit der Unterscheidung von E- und U-Musik. Bemerkenswert in dem Zusammenhang sind etwa sein Cembalo-Jazzkonzert (1965) oder das "Concertino Classico" (1985) für zwei Solo-Trompeten und Band. Nicht zu vergessen die Kinder-Pop-Kantate "Captain Noah and his Floating Zoo" (1970), die Horovitz scherzhaft als seinen "größten Hit" bezeichnete.
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Joseph Horovitz - Jazz Harpsichord Concerto (1965) - Patrick Ayrton and Les Inventions
Sein Faible für musikalische Parodien hat Horovitz das mindestens einseitige Label des "witzigen Komponisten" eingetragen. Er nahm's gelassen. Souverän. Konterte mit feinem Humor. Einen reaktionären, vom Jazz beeinflussten, verbissenen Tonalisten, nannte er sich selbst. Zusatz: "Bis dahin war es ein weiter Weg."
Am 9. Februar ist Joseph Horovitz nach Meldungen der BBC sowie nach Auskunft seines Verlags im Alter von 95 Jahren verstorben.
Sendung: "Allegro" am 11. Februar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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