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Kritik – Offenbachs "Die Banditen" in Dresden Auf Krawall gebürstet

Valentin Schwarz inszeniert im Sommer Wagners "Ring" bei den Bayreuther Festspielen. Bevor es soweit ist, hat der Regisseur an der Staatsoperette in Dresden einen provokanten Schlag ins Gesicht der Erwartungshaltung vorgenommen. Das irritierte Publikum reagierte mit Buhrufen und Desinteresse.

"Die Banditen" von Jacques Offenbach an der Staatsoperette Dresden, inszeniert von Valentin Schwarz. | Bildquelle: © Pawel Sosnowski

Bildquelle: © Pawel Sosnowski

Es war mal wieder eine wilde Verfolgungsjagd, die die Zuschauer ratlos zurück ließ: Der Regisseur rannte mit dem Stück auf und davon, und das Publikum kam nicht hinterher. Wie in Schockstarre verfolgten viele Premierengäste das, was da gestern Abend in der Dresdener Staatsoperette ablief. Die meisten erkannten Jacques Offenbach nicht wieder, geschweige denn seine selten aufgeführten "Banditen", und das war volle Absicht. Im Programmheft hatte Regisseur Valentin Schwarz einen "Schlag ins Gesicht der Erwartungshaltung" angekündigt, war also von Anfang an auf Krawall gebürstet.

Wenig Lacher, müde Mienen

Dieser Plan ging auf: Am Ende gab es wilde Buhgewitter, zwischendurch ein paar hämische Kommentare, vor allem aber gefühlte drei zaghafte Lacher in knapp drei Stunden und sehr müde Mienen - eindeutig zu wenig für eine Offenbach-Operette. Nun soll der junge und noch weitgehend unbekannte Regisseur Valentin Schwarz im Sommer in Bayreuth Richard Wagners "Ring" inszenieren, ein Riesenprojekt, zumal für einen Berufsanfänger wie ihn, da können Schlagzeilen im Vorfeld natürlich nicht schaden. Und bemerkenswert war diese Dresdener Operetten-Produktion auf jeden Fall.

Offenbach als Experiment

"Die Banditen" von Jacques Offenbach an der Staatsoperette Dresden, inszeniert von Valentin Schwarz. | Bildquelle: © Pawel Sosnowski Bildquelle: © Pawel Sosnowski Erstaunlich, wie es Valentin Schwarz und sein Team schafften, eine derart konservative Einrichtung wie die Dresdener Staatsoperette auf Vordermann zu bringen. Alle Mitwirkenden machten dieses hoch umstrittene Offenbach-Experiment augenscheinlich gerne mit, hatten auf der Bühne womöglich sogar deutlich mehr Spaß als das Publikum im Saal. Worum es geht, ist in einem Satz zusammengefasst: Dämliche Banditen scheitern an noch dämlicheren Diplomaten. Das liebe Geld spielt wie bei Offenbach üblich die Hauptrolle, und deshalb sind seine Stücke ja quasi von Natur aus aktuell, solange nicht alle Zuschauer in Sack und Asche gehen und Eremiten werden.

Cowboys, Indianer und sächsische Polizeibeamte

Valentin Schwarz, der selbst eine neue Textfassung schrieb, kann zweifellos ein großes Ensemble motivieren, er kann auch den Chor und die Tänzer professionell bewegen. Ausstatter Andrea Cozzi hatte ein aufwändiges Bühnenbild entworfen: Zunächst einen kreisrunden Palisadenzaun wie im Westerndorf, später ein üppiges, bizarres und sehr fleischorientiertes Bankett und am Ende einen kunterbunten Nachtclub mit ansehnlichen Tänzern in Badetüchern. Dazu hatte Kostümbildner Otto Krause neben zahlreichen Cowboys und Indianern auch eine Abteilung sächsischer Polizeibeamter auflaufen lassen, die, wie sie selbst sangen, "immer zu spät" kommen.

Prinzessin als Außerirdische

"Die Banditen", Staatsoperette Dresden | Bildquelle: © Pawel Sosnowski Kampf ums Elefanten-Steak | Bildquelle: © Pawel Sosnowski Unter den Solisten überzeugten vor allem Tom Pauls als gerissener Finanzminister und "Investor", aber auch Andreas Sauerzapf als Räuber mit stark österreichischem Akzent. Ingeborg Schöpf wirkte als elegante und freigebige "Prinzessin von Granada" mit Pralinenschachtel wie eine Außerirdische in dieser Inszenierung, Marcus Günzel gab den "Prinzen von Mantua" mit viel sexy Körpereinsatz. Choreograph Radek Stopka steuerte unverbrauchte Moves bei und hielt das Geschehen erfreulich dynamisch am Laufen.

Abend voller Albernheiten

Das Problem dieser Inszenierung: Es war ihr stets anzumerken, provozieren zu wollen, die Operette zu zerlegen, wohl um sie zur Kenntlichkeit zu entstellen, also von Gemütlichkeit zu befreien und wieder bissig zu machen. Doch dazu war der Abend viel zu albern, einschließlich eines faden Dialogs über Bertolt Brecht und allerlei so irritierendem wie überflüssigem Schabernack: Mal kam ein Megafon zum Einsatz, mal musste die vermeintliche "Baupolizei" die Hauptbühne sperren, so dass sich alle rund um den Orchestergraben drängelten, mal verlor der Hauptdarsteller seine Stimme und sein Text wurde per Lautsprecher zugemischt.

Steife und unterkühlte Banditen

Valentin Schwarz, Regisseur aus Österreich, steht im Foyer der Staatsoperette Dresden. (zu "«Die Banditen»: Musikalische Räuberpistole mit aktuellen Bezügen") Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Sebastian Kahnert Regisseur Valentin Schwarz | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Sebastian Kahnert Witzig war das alles nicht, anarchisch auch nicht, da war im Gegenteil viel Schmäh im Spiel, Lust an der Randale. Hat ja auch funktioniert. Dirigent Andreas Schüller und die Musiker machten das mit stoischer Haltung mit, so richtig wohl zu fühlen schienen sie sich jedoch nicht. Offenbach klang doch eher etwas steif und unterkühlt. Für den Bayreuther Sommer freilich ist mit Valentin Schwarz eine energische Regie-Handschrift zu erwarten: Jugendfrisch, unbekümmert, streitlustig und mit Sicherheit polarisierend. Es gibt schlechtere Aussichten.

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