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Kritik – "Duo" an der Bayerischen Staatsoper Kalt und blutleer

Der dänische Komponist Hans Abrahamsen beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Schnee, Eis und Winter. Sein "Schnee-Zyklus" von 2008 war nun erstmals im Rahmen der Festspiel-Werkstatt bei den Münchner Opernfestspielen als Ballett zu erleben – unter dem Titel "DUO - for many dancers and nine musicians". Die Choreographie dazu hat Nanine Linning erstellt.

DUO an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

Leise rieselt der Schnee. Aber wie leise eigentlich genau? Sanfter Schnee sinkt mit etwa zehn Dezibel zu Boden. Ungefähr so laut oder leise wie ruhiges Atmen. Eine Armbanduhr mit ihrem Tick-tack ist schon doppelt so laut. Und das hier, das ist noch eine Spur lauter. Und trotzdem noch verhältnismäßig leise. Denn Hans Abrahamsen ist ein Freund der sanften Töne. Die Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters spielen seinen Schnee-Zyklus. Unter der Leitung von Gregor Mayrhofer. Ein Geflecht aus zarten Linien, ineinander verwoben, mit Platz für Akzente, die aufleuchten.

Echospiel von Tanzfläche zu Tanzfläche

Ständig wechselt der Takt, die Musik kommt aus dem Tritt – und fängt sich wieder, fließt, baut ihren Sog auf, indem sie schwebt und wieder entschwebt. Dazu die Tänzerinnen und Tänzer des Bayerischen Staatsballetts. Eher weniger schwebend. Dafür mit kraftvollen, bedächtigen Bewegungen. Aber auch hier fließt eins ins andere. Das Publikum sitzt außen drum herum, ganz dicht dran an den beiden Tanzflächen. Ja, es gibt zwei Tanzflächen, dazwischen etwas abgesenkt die Musikerinnen und Musiker. Eigentlich eine schöne Idee: "Der Tanz soll eine Art Wind sein, der auf der einen Seite entsteht und dann über das Orchester hinwegfegt, um auf der anderen Seite von den Tänzern aufgenommen zu werden." So beschreibt es die Choreografin Nanine Linning. Die Niederländerin ist ein Star der Szene, bekannt für ihr multidisziplinäres Arbeiten zwischen den Künsten. Diese Choreografie hat sie "DUO" genannt. Und darum geht’s: Es soll ein Dialog sein, ein Echospiel von Tanzfläche zu Tanzfläche. Geht nur leider nicht ganz auf: Je nachdem, wo man sitzt, bekommt man davon mehr oder weniger mit. Zum Beispiel, weil der Blick auf die hintere Tanzfläche verstellt ist.

Zu wenig Fluss und seltsam unnahbar

DUO an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl Bildquelle: Wilfried Hösl Die Kostüme: weiße, ledrig wirkende Lamellen-Jacken, Lamellen-Hosen, Lamellen-Röcke von Irina Shaposhnikova. Die designt auch Haute Couture. Und immer wieder Kostüme für Produktionen von Nanine Linning. Klar, Mode ist Geschmackssache, aber die Idee der Kostüme als wellenartige, raumgreifende, organische Erweiterungen des Körpers, die geht nicht auf. Zu steif, zu unflexibel. Da fließt einfach zu wenig. Herausragend hingegen das Licht von Benedikt Zehm. Mal warm, mal kühl. Wenn die Tanzenden anfangen Lichtröhren über die Bühne zu rollen und ihre sich nun ganz individuell bewegenden Körper in ein Spiel aus Licht und Schatten tauchen, dann sind das die stärksten Momente des Abends. Außerdem gibt es noch Videoprojektionen von Alexandros Tsolakis. Von oben herab auf den Boden. Hier findet sich das Flirren und Flackern der Musik auf visueller Ebene wieder.

"DUO", das verspricht Nähe. Sowohl der Titel als auch das Konzept. Aber es will sich einfach nicht nah anfühlen. Trotz der tiefen Blicke, die die Tanzenden einander zuwerfen. Und obwohl man ganz nah dran ist. So nah, dass man die Schweißränder sehen kann. Es bleibt seltsam unnahbar. Abrahamsens Musik ist zerbrechlich und schön, zart und schroff, einfach und komplex zugleich. Die Choreografie wirkt hingegen streckenweise so, als würden hier Skulpturen nachgestellt werden. Kalt und blutleer.

Sendung: "Piazza" am 13. Juli 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Mehr Infos

Weitere Informationen zum Stück sowie Termine und Tickets auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper

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