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Kritik - Opernpremiere in Linz Der Zahnarzt als Mörder

Ein Western-Roman, aus dem Kino-Großmeister Robert Altman einen Opernstoff schuf: "McTeague - Gier nach Gold" feierte am Samstag Premiere am Landestheater Linz. Der Titelheld der Oper ist ein Zahnarzt, und wie der Untertitel der Oper schon ahnen lässt - es geht um die verhängnisvolle Sehnsucht nach dem großen Geld.

Szenenbild aus "McTeague - Gier nach Gold" am Landestheater Linz | Bildquelle: Patrick Pfeiffer

Bildquelle: Patrick Pfeiffer

Glücklich wurde niemand

Ob der Lotto-Bote Hörner hatte, das war nicht so genau zu erkennen, er trug einen Hut: Gehinkt hat er jedenfalls, und auch sonst war er alles andere als sympathisch. Aber die 5000 Dollar in Gold, die hatte er dabei. Nach heutigen Maßstäben ein Riesenvermögen, schließlich spielt das Ganze im Jahr 1900 in San Francisco. Das Geld war jedenfalls des Teufels, wie sich in der knapp dreistündigen Oper "McTeague - Gier nach Gold" herausstellte. Glücklich wurde in dem packenden, äußerst unterhaltsamen und opulent bebilderten Western mit dem Lotto-Gewinn niemand, wohl aber krankhaft geizig, verrückt, wahnsinnig, irre.

Eine Abrechnung mit dem Kapitalismus

Der eigentlich gutmütige Zahnarzt McTeague wird zum Doppelmörder und geht vor die Hunde, natürlich in Death Valley, im Tal des Todes, wo sonst? Eine so derbe wie treffende Abrechnung mit dem Kapitalismus, wie sie auch Bertolt Brecht geschrieben haben könnte. Kein Wunder, dass der Schriftsteller Frank Norris seine Leser 1899 warnte, sein Roman "McTeague" sei "abstoßend und brutal", aber realistisch. Ein paar Jahrzehnte später wurde der Stoff vom legendären Erich von Stroheim verfilmt, sage und schreibe acht Stunden soll das Drama gedauert haben. Kein Geringerer als Hollywood-Regisseur Robert Altman machte daraus Anfang der neunziger Jahre eine Opernhandlung, Komponist William Bolcom vertonte sie, und zwar, wie sich jetzt, bei der Europäischen Erstaufführung am Landestheater Linz, herausstellte, so mitreißend wie ironisch. Der Western funktioniert also auch auf der Theaterbühne, und zwar ganz ohne Pferde. Sicher, streckenweise erinnert Bolcoms "McTeague" eher an ein Musical als an eine Oper, ist doch schmissiger Ragtime zu hören und gefühlvoller Blues.

Technik und Lichtregie leisteten Grossartiges

Ein durch und durch amerikanisches Stück eben, ganz unpathetisch, aber sehr moralisch. Es mag in Europa verwundern, dass ausgerechnet ein Amerikaner eine derart eindrucksvolle Oper über die teuflische Magie des Geldes komponiert hat, aber solche Lehrstücke waren und sind in den USA mit ihrer protestantischen Tradition durchaus populär. In Linz wurde "McTeague" nicht zuletzt wegen des überwältigenden Bühnenbilds von Mathias Fischer-Dieskau zum Erfolg. Er zauberte eine Riesensonne, die mal gleißte, mal schimmerte, mal totenblass wurde, also sowohl ein Sinnbild der Wüste, als auch der menschlichen Seele war. Darunter die Fassaden einer Westernstadt, die immer wieder wie von Geisterhand umgelegt wurden und dann an halb zugewehte Ruinen in der Wüste erinnerten. Technik und Lichtregie leisteten Großartiges, inzwischen ist das leider selten geworden, sind die meisten Bühnen doch stark renovierungsbedürftig, was in der Regel auch zu hören und zu sehen ist. Linz dagegen glänzt mit einem topmodernen Neubau.

Alles ist zu sehen, was einen klassischen Western ausmacht

Regisseur Matthias Davids erlag nicht der Versuchung, die Handlung zu aktualisieren und optisch in die Gegenwart zu holen. So ist alles zu sehen, was einen klassischen Western ausmacht: Die Kopfgeldjäger in ihren Staubmänteln, der Showdown in der Wüste, der Kampf um den letzten Tropfen Wasser. Und weil alle Mitwirkenden hoch motiviert waren und absolut glaubwürdig spielten, war das tatsächlich so authentisch wie im Kino. Kaum zu glauben, aber die Künstlichkeit der Bühne geriet völlig in Vergessenheit. Das Schlussbild wird in Erinnerung bleiben: McTeague sitzt ohne Wasser unter der Wüstensonne, überschüttet sich mit Goldmünzen, hat seinen Rivalen erwürgt, aber dabei vergessen, dass er mit Handschellen an die Leiche gekettet ist. Und der Schlüssel fehlt.

Ein Leidenschaftlicher Galopp durch die Partitur

Corby Welch überzeugte in der Titelrolle des kraftstrotzenden Zahnarzts, Michael Wagner faszinierte als sein Gegenspieler. Hervorragend auch die türkische Sopranistin Cigdem Soyarslan als irre Lottogewinnerin und Karen Robertson als ebenso wahnsinnige Haushälterin. Dirigent Dennis Russell Davies sorgte für den nötigen Wildwest-Rhythmus und galoppierte leidenschaftlich durch die Partitur. Mag sein, dass das auch mal effekthascherisch klang, es war jedenfalls in jeder Hinsicht unterhaltsam. Und das Lotterie-Los, das werfen Sie am Besten weg.

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