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Kritik – "Macbeth" am Theater Regensburg Krieg statt Kompromisse!

Selten war Shakespeares Schauerdrama so bestürzend aktuell wie heute, werden dort doch alle Probleme mit Gewalt gelöst. Doch Regisseurin Angela Denoke, bekannt als Star-Sopranistin, interessiert sich mehr für "Szenen einer Ehe" als für eine politische Deutung. Das erinnerte an antike Tragödien. Am Samstag feierte die Inszenierung von Verdis Oper in Regensburg Premiere.

Szenenbilder aus Verdis Oper "Macbeth" am Theater Regensburg | Bildquelle: Tom Neumeier

Bildquelle: Tom Neumeier

Gerade wird ja deutlich mehr über Leopard-Panzer als über Kompromisse diskutiert, scheint also ganz so, als ob Probleme wieder mit Gewalt gelöst werden sollen oder müssen, sogar in Europa. Putins Angriffskrieg hat nicht wenige überrascht, die Entschlossenheit des Westens ebenfalls. So gesehen ist Verdis "Macbeth" bestürzend aktuell, schließlich greifen hier auch alle Beteiligten ständig zu den Waffen, und ein Leben gilt wenig im Kampf um die Macht. Der Titelheld greift entschlossen durch, geht über Leichen, und seine Gegner suchen ebenfalls Entscheidungen auf dem Schlachtfeld.

Düster und unspektakulär

Szenenbilder aus Verdis Oper "Macbeth" am Theater Regensburg | Bildquelle: Tom Neumeier Theodora Varga und Seymur Karimov in "Macbeth" in Regensburg | Bildquelle: Tom Neumeier Als Verdi seine Oper 1846/47 schrieb, rang Italien gerade um seine nationale Wiedergeburt, begannen die Einigungskriege. Der Chor stimmt Hassgesänge gegen die Unterdrücker an und jubelt am Ende dem neuen König zu. Insofern ist dieser "Macbeth" in jeder Hinsicht hochpolitisch, doch all das hat Regisseurin Angela Denoke offenbar weniger interessiert bei ihrer Deutung für das Theater Regensburg. Stattdessen zeigt sie "Szenen einer Ehe", konzentriert sich ganz auf Macbeth und seine Lady, und fragt sich, warum die beiden solche Gewaltmenschen geworden sind. Das ist düster und unspektakulär, denn das Innenleben lässt sich naturgemäß schwer bebildern.

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Schauerlich geht's hier nicht zu, Shakespeares Gruseleffekte fehlen völlig. Optisch sieht diese Psychoanalyse aus wie eine antike Tragödie, als ob ein Stück von Sophokles oder Euripides auf dem Spielplan steht: Das hätte so auch unter dem Himmel vom berühmten Freilicht-Theater in Epidauros stattfinden können. Vor einer schwarzen Wand schreiten die Mitwirkenden gemessen auf und ab, stellen sich mal zum Quadrat, mal in Reihe auf, während die Protagonisten ohne übertriebenen Eifer aufeinander losgehen. Sehr viel Pathos, auch mal zweifelhafte Gesten, etwa, wenn die umkämpfte Krone Schottlands achtlos auf dem Boden landet, weil sie gerade stört, oder Kerzen aufgestellt werden, die sich als Stolperfallen erweisen.

Angela Denoke sucht nach unberauchten Konzepten

Szenenbilder aus Verdis Oper "Macbeth" am Theater Regensburg | Bildquelle: Tom Neumeier Theodora Varga als Lady Macbeth | Bildquelle: Tom Neumeier Angela Denoke ist eine ausdrucksstarke, erfahrene und preisgekrönte Sängerin. Als Regisseurin ist das erst ihre dritte Arbeit, sie muss sich also noch finden auf dem neuen Arbeitsgebiet. Und was sofort für sie einnimmt: Sie sucht nach unverbrauchten Konzepten, ihre Lady Macbeth soll kein Monster sein, sondern wird als Frau dargestellt, die durch eine Gewalterfahrung traumatisiert ist. Ja, Denoke will nach eigener Aussage um Sympathie werben für diese scheinbar diabolische und skrupellose Ehepartnerin, die ihren Mann zu immer neuen Untaten antreibt.

Stimmlich bleiben bei Seymur Karimov in der Titelrolle und Theodora Varga als Lady keine Wünsche offen: Sie trumpfen mächtig auf, singen viel dramatischer als sie spielen, was bisweilen zu paradoxen Szenen führt, als ob sie sich zwingen müssen, ruhig zu bleiben. Das Regensburger Theater ist für diesen wildbewegten Sturm-und-Drang-Verdi ja fast etwas zu klein, weshalb auch Dirigent Tom Woods die Akustik bisweilen ausreizt. Da schepperte es dann in den Ecken und Kanten des Zuschauerraums.

Einheitskostüme statt Individualität

Der viel gefragte Chor war mit geradezu heiligem Ernst bei der Sache, auch hier an weihevolle Gebärden aus der Antike erinnernd. Die Ausstatter Timo Dentler und Okarina Peter hatte alle in Einheitskostüme gesteckt, als Sinnbild einer gleichgeschalteten Untertanen-Gesellschaft, die sich zunächst nicht traut, die Masken fallen zu lassen, also zur jeweils eigenen Individualität zu stehen. Das sollte wohl was bedrohlich Roboterhaftes haben, dafür wirkte der Chor aber doch zu brav und bieder, und mitunter verlor er für ein paar Takte den Anschluss ans Orchester.

Diskussionswürdige Inszenierung

Gleichwohl eine insgesamt durchaus diskussionswürdige Inszenierung, die es sich nicht leicht macht und auf äußere Effekte setzt, sondern sich darum bemüht, den beiden Negativ-Helden gerecht zu werden. Das ist ja das Fatale an Gewaltherrschern: Fast alle glauben, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und sehen sich selbst keineswegs als Ungeheuer, sondern eher als Befreier, Erlöser, Wohltäter. Den Dolch setzen sie halt als Büromaterial von der Steuer ab.

Sendung: "Allegro" am 23. Januar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Montag, 23.Januar, 06:58 Uhr

paul-ludwig voelzing

macbeth jungblut

wo. lieber herr jungblut, geht es in einer griechischen tragödie um "szenen einer ehe"? bestenfalls in "medea", und da auch nicht. und geradezu elementar in der griechischen tragödie ist das politische und damit auch die politische deutung!!

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