Endlich eine "Winterreise" im Schnee, nicht wie sonst meist bei sommerlichen Temperaturen. Und kurz vor Beginn fegte auch noch ein veritabler Schneesturm über Coburg hinweg und blies die Zuschauer förmlich ins Theater hinein.
Bildquelle: Andrea Kremper
Beim Lied "Mut" ist der arme Wanderer in Schuberts winterlichem Liederzyklus schon fast am Ende seiner Reise angelangt. Der Trotz, der sich hier ausdrückt, das Aufbegehren gegen die Widrigkeiten des Lebens nur mehr bissig-sarkastische Fassade. Dahinter kauert eine vor Einsamkeit, seelischem Schmerz und Unbehaustheit in sich zusammengesunkene arme Seele, die mehr dem Tod als dem Leben zugewandt ist. Regisseur Bodo Busse läßt seinen Hauptdarsteller David Zimmer deshalb hier mit einer Pistole auftreten, die er sich an den Kopf hält. Die Reise dieses verzweifelten Menschen nimmt kein gutes Ende, auch wenn es offen bleibt.
Bildquelle: Andrea Kremper Hans Zenders komponierte Interpretation dieser "Winterreise" für kleines Orchester von 1993 macht die seelischen Verwerfungen mit zugespitzten, aufgerauten, ja mitunter auch schrillen Klanggesten noch drastischer erfahrbar als bei Schubert. Dennoch steht der unbedingte Respekt vor Schuberts Musik stets im Vordergrund, wird seine Musik nie zugedeckt, sondern eben nur instrumental kommentiert. Zur komponierten Interpretation gesellt sich im Coburg nun noch eine szenische. Viel ist es nicht, was Busse und sein Bühnenbildner Karlheinz Beer dazu auf die Bühne des Landestheaters gestellt haben: zwei kahle Bäume, ein paar Möbel, einen Felsblock und, nunja, einen riesigen Kühlschrank. Schnee gibt es keinen, aber den gibt es ja vor dem Theater genug. Zum tragischen Helden gesellt sich hier noch sein alter Ego, seine Mutter und sein Vater. Mit ihnen ist der Protagonist in gestischer Zwiesprache. Vor allem die Mutter scheint eine wesentlich Rolle für seine seelischen Zerrüttungen zu spielen. Zu Beginn hält sie sich die Hände vors Gesicht, will nicht wahrhaben, nicht hinsehen, was mit ihrem Sohn passiert. Im Frühlingstraum tanzt sie um sein Bett herum in einer geradezu unheimlichen Ambivalenz zwischen beschützen und bedrängen. Jaja, die Mütter, sie sind an allem schuld oder wie es ein Psychologe einmal weniger scharf formuliert hat: "Das Kind ist der Spiegel der Seele seiner Mutter".
Bildquelle: Andrea Kremper So versucht sich Busse in einer Art Familienaufstellung zu dieser Winterreise. Besonders erhellend ist das allerdings letztlich nicht, da Busse von dieser Grundidee abgesehen nicht viel eingefallen ist und die Eindreiviertelstunden szenisch doch recht eintönig bleiben. Leider auch musikalisch, denn David Zimmer aus dem Ensemble des Coburger Theaters ist gewiss ein respektabler Operntenor, ein Liedsänger ist er nicht. Das deutet sich schon beim ersten der 24 Lieder an und bleibt auch so. Von Deklamation, von interpretierender Ausgestaltung des Textes, von sinnnreicher Phrasierung ist hier so gut wie nichts zu hören. Eine herbe Enttäuschung. Und auch der an Neuer Musik geschulte Roland Kluttig am Pult versagt der Zenderschen "Winterreise" und ihren subtilen Zwischentönen die dafür nötige Präzision und geistgeschärfte Diktion. Schade, hatte es doch so vielversprechend begonnnen mit dem Schneesturm.
Eine komponierte Interpretation von Hans Zender nach Franz Schubert
Musikalische Leitung: Roland Kluttig
Inszenierung: Bodo Busse
Nächste Termine: Sonntag, 24. Januar 2016, 18.00 Uhr / Samstag, 20. Februar 2016, 20.00 Uhr