Am Wochenende war's soweit: Premiere für das Klavier-Fest beim Lucerne Festival, kuratiert von Igor Levit. Sein Ziel: Kolleginnen und Kollegen aus der klassischen und der improvisierten Musik zusammenzubringen. Überzeugend war das nicht immer.
Grundsätzlich ist es sicher keine schlechte Idee, einem renommierten Musiker das Programm für ein Festival zu übertragen. Das ist ja auch keine Novität, das gab es schon mehrfach an anderen Orten und Festivals – man denke nur an Gidon Kremers Lockenhaus-Festival oder Dorothee Oberlingers Barockfestival in Potsdam. Das ist eigentlich immer spannend und interessant – jedenfalls spannender, als wenn sich einfach nur angesagte Stars die Klinke in die Hand geben und dann das spielen, was sie eben gerade im Programm haben. Levit wollte dem eigenen Bekunden nach ein Miteinander der Musikerinnen und Musiker kreieren, Austausch, Begegnung, eine wechselseitige Anregung und Befruchtung. Und dazu eignete sich die Idee mit dem Brückenschlag zur improvisierten Musik durchaus gut.
Levit hat neben Anna Vinitskaya und Alexei Volodin auch zwei improvisierende Musiker:innen eingeladen, einmal den Jazz-Pianisten Fred Hersch, Jahrgang 1955, und die erst 27-jährige deutsche Pianistin Johanna Summer, die beide sowohl solistisch auftraten, aber auch zusammen mit klassischen Pianisten über klassische Werke improvisieren sollten.
Zum Beispiel über Schumann-Miniaturen aus den "Waldszenen". Erst spielte Igor Levit, dann improvisierte Johanna Summer darüber. Das war allerdings nur bedingt spannend. Johanna Summer ist zwar enorm begabt und stilistisch sehr versiert in den Stilen der klassischen Musik, ihre kurzen Improvisationen waren aber doch sehr nah am klassischen Idiom und klangen recht unstrukturiert, plätscherten eher vor sich hin, als dass sie Kontur und Eigenständigkeit entwickelt hätten.
Das gelang bei Fred Herschs Soloauftritt mit Improvisationen über Jazz-Standards und Songs aus der Popmusik sehr viel überzeugender. Hersch ist ein ungemein poetischer Jazzmusiker, der zwischen verschiedenen Jazz-Stilen mit größter Leichtigkeit wechselt. Im Zusammenwirken mit dem Levit-Schüler Mert Yalniz, der Beethovens Appassionata spielte, worüber Hersch dann auch improvisieren sollte, war der musikalisch-künstlerische Ertrag allerdings weitaus weniger spannend: Hersch wagte es nicht so recht, sich von Beethoven frei zu machen, also viel zu sehr an der Vorlage hängen blieb.
So war die erste Ausgabe des neuen Klavierfestivals unter der Leitung von Igor Levit also ein Erfolg mit Einschränkungen. Neben den sehr gelungenen Auftritten von Levit und Volodin an zwei Klavieren, dem Soloauftritt von Levit, bei dem er eine Uraufführung von Fred Hersch spielte, sowie einem hochvirtuosen Konzert von Anna Vinitskaya, die sich u.a. mit großer Geste durch die Klanggewitter von Skrjabins 5. Sonate wühlte, hätte man sich bei der improvisierenden Zunft noch mehr Qualität und künstlerische Klasse wünschen dürfen – man denke nur an Namen wie Keith Jarrett, der ja nun leider nicht mehr spielt, oder Herbie Hancock, der noch spielt. Großmeister der Improvisation wie diese hätte man in Verbindung mit der Klassik hier gerne gehört. Das was Levit in Luzern anbot, wurde zwar vom Publikum sehr bereitwillig und interessiert angenommen, blieb aber doch unter der Messlatte, die man hier gewohnt ist.
Zunächst sind drei Ausgaben des Festivals unter Levits Leitung vorgesehen – und dann endet ja auch die Intendanz von Michael Haefliger beim Lucern Festival nach vielen erfolgreichen Jahren. Ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Haefliger, die oder der 2026 antreten wird, soll demnächst präsentiert werden. Dann wird man sehen, wie er oder sie mit diesem Klavierfestival weiter umgehen wird und ob es bei Levits Leitung bleibt.
Sendung: "Leporello" am 22. Mai ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK