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Kritik - Saisonstart der Mailänder Scala mit Verdis "Macbeth" Königsdrama mit Anna Netrebko

Mit Giuseppe Verdis Oper "Macbeth" hat die Mailänder Scala ihre neue Opernsaison eröffnet. Traditionell am St. Ambrosius-Tag, dem 7. Dezember, und in Anwesenheit des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella. In der Regie des Film- und Opernregisseurs Davide Livermore standen Luca Salsi und Anna Netrebko als Ehepaar Macbeth im Fokus des Geschehens. Es dirigierte Musikdirektor Riccardo Chailly.

Kritik – Inaugurazione an der Scala: "Macbeth" mit Anna Netrebko

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Es ist ein futuristisches Film-Setting, das Regisseur Davide Livermore für seine szenische Umsetzung des Verdi- und Shakespeare-Dramas wählt. In Sepia-Tönen dominieren die ästhetischen Videoprojektionen der Produktionsfirma D-WOK den Bühnenhintergrund. Zunächst metzeln Macbeth und Banco in einem Wald gegnerische Kämpfer nieder, um dann in einer spannend projizierten Autofahrt in die Stadt zu gelangen, die an Gotham City aus den Batman-Filmen erinnert oder die sich spiegelnden und verzerrenden Wolkenkratzer aus Christopher Nolans Film "Inception" zitiert.

Anna Netrebko als Lady Macbeth: faszinierend schön

Tanzt sich in Ekstase: die russische Sopranistin Anna Netrebko als Lady Macbet. | Bildquelle: Teatro ala Scala Im Scottish Court Tower, einem düsteren Turm, in den man über einen Aufzug gelangt, residieren Macbeth und seine "Lady in Red" – dargestellt von Anna Netrebko. Im roten Kostüm mit Gold- Epauletten raucht sie und trinkt Whiskey. Ihrer in allen Lagen tragfähigen und doch weichen Stimme kann das nichts anhaben. Souverän gleitet sie durch alle Passagen der heiklen und teilweise als unsingbar geltenden Partie. Die Netrebko gibt die Lady auch hier an der Scala in ihrer ganz eigenen belcantistischen Interpretation – faszinierend schön!

Große Chorszenen schaffen Gänsehautmomente

Die futuristische Kulisse in "Macbeth" erinnert an Filme wie "Batman" oder "Inception". | Bildquelle: Teatro alla Scala Auch Luca Salsi als Macbeth singt auf diesem erstaunlich hohen Niveau, begleitet von Riccardo Chailly und dem Orchester der Scala in nicht enden wollender Perfektion. Die großen Chorszenen – von den Hexen bis zum gegen den Unterdrücker aufbegehrenden Volk – sind exzellent gearbeitet und schaffen Gänsehautmomente mit feinsten Nuancen und mächtigen Fortissimi. Die zuckenden Blitze und blutroten Akzente im ständig sich verändernden Video-Bühnenbild sind genau auf die Musik abgestimmt.

Im Ballett im dritten Akt gelingt erneut ein optimales Zusammenspiel von Szene und Musik, wenn sowohl Macbeth, als auch der bereits gestorbene Banco und zuletzt die ekstatisch tanzende Lady Einblicke in ihr Seelenleben gewähren. Da entfaltet Verdis Musik zur modernen Tanzchoreographie von Daniel Ezralow eine faszinierende Kraft, ganz ohne Gesang.

Außergewöhnlicher Premierenabend

Der italienische Bariton glänzt in der Titelrolle als Schottenkönig Macbeth. | Bildquelle: Teatro alla Scala Von den Stimmen an diesem außergewöhnlichen Premierenabend kann man nicht genug bekommen: Ildar Abdrazakov muss als Banco mit edlem Bass viel zu früh sterben, und Francesco Meli kommt erst am Schluss als rächender Macduff richtig zum Zug, wenn das ganze Imperium Macbeths in mächtigen Explosionen untergeht. Zuvor hat sich Anna Netrebkos Lady in der Schlafwandel-Szene eher innig und verletzlich gezeigt und verschwindet fast nebenbei. Der Kommentar von Macbeth, "Was bedeutet schon ein Leben?" bekommt auf diese Weise großes Gewicht, genauso wie sein Schluss-Fluch auf "la vile Corona" – die "niederträchtige Krone" – besonders überzeugend wirkt, bevor sein Firmen-Aufzug ihn in die Unterbühne befördert. Der neue Mailänder Macbeth ist ein musikalisch wie optisch hochkarätiges Opern-Erlebnis!

Den Mitschnitt der Eröffnungspemiere "Macbeth" an der Mailänder Scala sendet BR-KLASSIK am 8. Dezember 2021 ab 19:05 Uhr.