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Kritik – "Manon Lescaut" an der Oper Frankfurt Verliebt in der Table-Dance-Bar

Mit dem besten Ergebnis aller Zeiten ist die litauische Sopranistin Asmik Grigorian nach ihrem Salzburger Sensations-Erfolg als Strauss' Salome in der aktuellen Kritikerumfrage der Zeitschrift "Opernwelt" zur Sängerin des Jahres gekürt worden. Umso gespannter war die Szene auf die nächste Premiere der Sängerin, am 6. Oktober in Frankfurt als Manon Lescaut in Giacomo Puccinis gleichnamigem ersten Welterfolg.

Bildquelle: Oper Frankfurt/Barbara Aumüller

Die Kritik zum Anhören

Es gibt immer wieder junge Sängerdarstellerinnen, die der gealterten Diva namens Oper enthusiastisch den Überlebenswillen stärken. Die Kunst der Asmik Grigorian ist allerdings so "vollkommen-vollendet" wie derzeit die keiner Kollegin ihrer Generation. Was für ein violett-samtenes Stimmtimbre hat diese Frau aus dem schönen Litauen doch, mit welcher pikanten Note in höheren Regionen! Asmik Grigorian weiß ihren Sopran dynamisch fulminant auszusteuern, sich dabei alle Natürlichkeit der Welt zu bewahren – als wär's ein Kinderspiel. Dazu kommt eine Bühnenpräsenz sondergleichen, ihre Freude an der Balance zwischen einem totalen Sich-gehen-lassen einerseits und Kontrolle über jede Faser des Körpers andererseits. Da fräst sich jemand in seine Rolleninterpretation als gäbe es kein Morgen und kein Übermorgen – nicht den Hauch einer Zukunft. Was das entworfene Charakterprofil perfekt transportiert: Das Bild einer starken Frau, die dennoch zum Opfer einer kaltherzigen Konsumgesellschaft wird und scheitert – "con passione disperata"…

Die Inszenierung in Bildern

Nur kurzes Knirschen im Gebälk

An Manon verbrennt sich Des Grieux, ein bemitleidenswerter Gefangener seiner Obsession. Auch und gerade an ihm probierte Puccini die für ihn typische Musik gemarterter Menschen aus. Der amerikanische Tenor Joshua Guerréro hat das Ideal exaltierter Expression verinnerlicht, zelebriert es bei seinem Deutschland-Debüt ohne Umschweife mit markantem Schmelz: im Glauben an die Liebe – so leer der Himmel über ihm auch sein mag. In der Frankfurter Neudeutung ist Manon eine illegale Einwanderin, die ihr Glück in Europa machen zu können glaubt: Dieser Regie-Transfer knirscht nur vorübergehend im Gebälk des Librettos, wo von der Option Kloster die Rede ist.

Das Beste am Schluss

Szene aus "Manon Lescaut" in der Inszenierung von Àlex Ollé an der Oper Frankfurt (Premiere 6.10.2019) | Bildquelle: Oper Frankfurt/Barbara Aumüller "Manon Lescaut" an der Oper Frankfurt – Szenenbild | Bildquelle: Oper Frankfurt/Barbara Aumüller Regisseur Alex Ollé, einer der Köpfe der inzwischen 40-jährigen katalanischen Truppe La Fura dels Baus, hat den stärksten Einfall nicht im zweiten Bild der Oper, einer Table-Dance-Bar des schmierigen Geronte, sondern für das visuell radikal reduzierte Finale: Das Beste kommt hier wirklich am Schluss. Wie ein über- und dreidimensionaler Faden ziehen sich die Versalien L-O-V-E durch den Abend, und am Schluss drehen sich diese vier Buchstaben auf leer geräumter Bühne langsam um die eigene Achse. Der Liebe Licht- und Schattenseiten werden gespenstisch ausgeleuchtet. Das Paar verdurstet im Nirwana, auf seine Liebe zurückgeworfen, dem Tod überantwortet.

Die Struktur im Visier

Ein authentisch mediterran gefärbter Duktus ist das Resultat von Überstunden, die der Dirigent Lorenzo Viotti mit dem Frankfurter Opernorchester während der Proben absolviert haben mag: Ungezählte Emotionen und Emotionsfacetten treten über die Ufer. Aber Viotti behält auch immer den strukturellen Ehrgeiz der Partitur im Visier, etwa das abgründige Todes-Intervall der Oper: die absteigende große Sekunde! Bis alles endet – und das Publikum wie verrückt jubelt.

Puccinis "Manon" in Frankfurt

Informationen zu Terminen, Besetzung und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage der Oper Frankfurt.

Sendung: "Leporello" am 7. Oktober 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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