Die Coronakrise hat Musikerinnen und Musiker besonders hart getroffen. Engagements wurden abgesagt und staatliche Gelder sind erst sehr spät geflossen, für viele zu spät. Viele Musiker arbeiten zu Dumpingpreisen und leben teilweise unter prekären Bedingungen. Die Gewerkschaft Verdi fordert deshalb Mindesthonorare für diese Berufsgruppe. Das ist allerdings gar nicht so leicht durchzusetzen.
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Cellist Michael Rupprecht ist hauptberuflich freier Musiker ohne festes Engagement, außerdem gibt er Cellounterricht. Mit Konzertveranstaltern muss er manchmal hart verhandeln. Auch andere Angebote zu Dumpingpreisen sind keine Seltenheit, wenn er zum Beispiel bei einer Hochzeit oder in einem Konzert mehrere Stunden lang für weniger als 100 Euro spielen soll. Solche Engagements sollte man überhaupt nicht annehmen, sagt Michael Rupprecht – denn das mache die Preise kaputt. Schließlich würden ihm nach Abzug der Betriebskosten, Steuern und Sozialabgaben für einen Auftritt nicht einmal 50 Euro bleiben – und das für drei bis vier Stunden Arbeit.
Es ist schon erschreckend, mit welcher Geringachtung manche an die Künstler herantreten.
Cellist Michael Rupprecht | Bildquelle: Vuillaume Trio An seine Kolleginnen und Kollegen richtet Rupprecht den Rat, sich selbstbewusst an den in der freien Szene üblichen Sätzen zu orientieren und nicht drunter zu gehen. Manche nähmen auch aus purer Not Aufträge an, die "an Unverschämtheiten grenzen". Denn wenn das immer mehr Musikerinnen und Musiker mitmachten, würden sich die Dumpingpreise immer mehr etablieren, so Rupprecht. Musiker sollten sich vernetzen, austauschen und Kontakt zu Gewerkschaften und Politikern suchen, um so in der Gruppe stärker zu sein, davon ist der Cellist überzeugt.
Die Gewerkschaft Verdi will die Honorare nicht nur dem Verhandlungsgeschick der Musiker überlassen und fordert vom Gesetzgeber – ähnlich dem Mindestlohn – verbindliche Mindesthonorare. Jedenfalls dann, wenn öffentliche Gelder in Veranstaltungen fließen. Bisher darf die Gewerkschaft mit soloselbständigen Musikern aber keine Mindesthonorare festlegen, führt Lisa Basten von Verdi aus: "Im EU-Recht heißt es, dass die Bildung von Kartellen verboten ist, was durchaus Sinn macht, wenn man beispielsweise an Ölkonzerne denkt. Leider greift dieses Recht auch bei soloselbständigen Kulturschaffenden." Das heißt, Soloselbständige dürfen untereinander nicht absprechen, wie hoch eine Mindestvergütung für ihre Leistung ausfallen soll.
Inzwischen hat die EU-Kommission verstanden, dass Soloselbständige nicht wirklich eine Gefahr für Kartellbildung darstellen, sondern dass sie eher ausgebeutet werden. Und so könnte das EU-Verbot vielleicht noch in diesem Jahr fallen. Wenn allerdings Musiker eines Tages mehr verdienen, steigen für die Veranstalter auch die Kosten. Dann müssten eben die Kulturetats steigen, sagt Lisa Basten von Verdi. Für Autobahnen sei das Geld ja auch da: "Wir können doch nicht die kulturelle Vielfalt, die wir schätzen und brauchen, auf dem Rücken von denjenigen austragen, die das dann quasi für Umsonst tun sollen."
Cellist Michael Rupprecht ist skeptisch, ob sich diese Mindesthonorare am Ende wirklich durchsetzen lassen. Denn schon jetzt gebe es zum Beispiel von der Deutschen Orchestervereinigung DOV Mindesthonorarvorschläge als Orientierungshilfe. Gleichzeitig weiß er auch um die Nöte kleinerer Veranstalter – und sieht sich in einem Dilemma, Honorare durchzudrücken, die dann womöglich dazu führen, dass manche Konzerte und Veranstaltungen nicht mehr gestemmt werden können.
Angemessen seien die aktuellen Honorare aber keinesfalls, betont der Cellist. Wenn er zum Beispiel in einer Kirche bei einer Sonntagsmesse spiele, seien für Probe und Auftritt 150 Euro üblich. So kommt er vielleicht auf einen Stundenlohn von 40 bis 50 Euro, aber seine Vorbereitungszeit zuhause oder Fahrtkosten seien da noch nicht drin – von der jahrzehntelangen Ausbildung von Kindesbeinen an gar nicht zu reden.
Sendung: "Allegro" am 9. November 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Mittwoch, 10.November, 12:13 Uhr
Freischaffende
Ausbeutung ist nicht gleich Ausbeutung
Dem Cellisten kann ich nur beipflichten. Es ist schwierig, weil Ausbeutung nicht gleich Ausbeutung ist. Um was geht es hier und wie hoch soll der Mindestlohn sein?
In meinem Bereich wären es:
Orchesteraushilfe (z.B. für Kinderkonzert eines A-Orchesters)
Orchesteraushilfe (von freien Orchestern)
Mitwirkung bei Projektorchestern (z.B. beim Weihnachtsoratorium einer Hauptkirche oder kleineren Kirchen)
Solo/Kammermusik/Gesang in gehobeneren Konzertreihen und renommierten Konzerthäusern
Solo/Kammermusik/Gesang beim lokalen Kulturverein
Solo/Kammermusik/Gesang bei Vernissagen
Solo/Kammermusik/Gesang bei Firmenfeiern, Hochzeiten
Solo/Kammermusik/Gesang in Altenheimen
Mitwirkung bei Konzerten von Kollegen (z.B. Neue Musik Festivals)
Und wer soll bei einem Verstoß bestraft werden, der Veranstalter oder der Musiker?