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Komposition von Mozart und Salieri Per Zufall wiederentdeckt

Ein verschollen geglaubtes Werk von Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Salieri ist am Dienstag in Prag vorgestellt worden. Wiederentdeckt hat es ein deutscher Musikwissenschaftler - online.

Das tschechische Musikmuseum zeigt eine Partitur von Mozart und Salieri | Bildquelle: imago/CTK

Bildquelle: imago/CTK

Am Dienstag hat das tschechische Nationalmuseum eine Partitur mit dem Titel "Per la ricuperata salute di Ophelia" präsentiert. Es handelt sich um eine Kantate, die aus drei Einzelstücken von Wolfgang Amadeus Mozart, Antonio Salieri und einem gewissen Cornetti besteht. Entdeckt hat es der deutsche Musikwissenschaftler und Komponist Timo Jouko Herrmann. Im Gespräch mit br-klassik.de sagte Herrmann, er habe im Online-Katalog des Musems gestöbert und sei per Zufall über das Stück und die dazugehörige Jahreszahl gestolpert.

"del Signore M.S."

"Per la ricuperata salute di Ophelia" - als Herrmann den Titel liest ist ihm klar, dass er Noten von Salieri vor sich hat. Er hat über den Komponisten promoviert, ist Experte für Werke des Italieners. Er habe dann im Museum angerufen und die Mitarbeiter darauf aufmerksam gemacht. Der Druck sei in den 1950er-Jahren in das Archiv gekommen, so Museumssprecherin Kristina Kvapilova, allerdings hätten die Archivare erst im Zuge der jüngsten Digitalisierung die verschlüsselten Autorennamen neu zuordnen können. Laut Timo Jouko Herrmann sei der Druck mit "del Signore M.S." und "M.M." unterschrieben, was für Maestro Salieri und Maestro Mozart stünde.

Das Werk sei 1785 anlässlich der Rückkehr der britischen Sängerin Nancy Storace auf die Wiener Opernbühne geschrieben worden, so Herrmann. Die Sopranistin hatte zuvor längere Zeit ihre Stimme verloren. Der Musikwissenschaftler nimmt an, dass sich die Komponisten bei der Vertonung eines Freudenliedes von Da Ponte ausgetauscht hätten. Das Libretto habe 30 Stophen, es seien aber nur drei vertont worden. Ob sie auch gemeinsam komponiert haben? "Dafür fehlen die Quellen", so Herrmann.

Bei dem Fund handle es sich nicht um das Autograph, sondern um einen Druck, bei dem nur Bass- und eine Singstimme notiert sei. Den dritten Komponisten im Bunde, Cornetti, bezeichnet Herrmann als "das große Phantom". Er vermutet, dass es sich hierbei um das Synonym eines Mäzens oder eines Fans der Sängerin Nancy Storace handelt, der die Komposition finanziert haben könnte. Bei der offiziellen Vorstellung am Dienstag wurde das knapp vierminütige Stück vom tschechischen Cembalisten Lukas Vendl gespielt. Die Partitur soll demnächst ausgestellt werden.

Salieri - Mozarts Feind? Ein Mythos!

Sowohl Mozart als auch Salieri wirkten als Komponisten in Wien. Beide schrieben Opern, und da lag eine gewisse Konkurrenz-Situation, wie sie bis heute bei Berufskollegen nicht unüblich ist, wohl auf der Hand. Dass die beiden Künstler jedoch verfeindet gewesen wären, Salieri gar Mozart mit Gift aus dem Weg geräumt hätte - dies ist wohl eindeutig ins Reich der Fabel zu verweisen. Der Beethoven-Biograf Anton Schindler, dessen Aussagen nicht immer zuverlässig waren, schrieb 1824 in ein Konservationsheft, Salieri hätte im Zustand geistiger Verwirrung sich selbst der Vergiftung Mozarts bezichtigt. Die Gerüchte schossen ins Kraut, auch wenn Salieri sich persönlich in einem überlieferten Gespräch mit dem Komponisten Ignaz Moscheles dagegen verwahrte, am Tode Mozarts schuld gewesen zu sein. Der Dichter Alexander Puschkin schrieb sein Drama "Mozart und Salieri", das von Nikolai Rimski-Korsakow vertont wurde, und Milos Forman spann die Legende in seinem Film "Amadeus" nach einem Bühnenstück von Peter Shaffer fort. So kommt es, dass Salieri noch heute oft als Intrigant und Mörder wahrgenommen wird. Völlig zu Unrecht: Seine Liebenswürdigkeit war legendär, er und Mozart begegeneten sich meist auf freundschaftlich-kollegialer Ebene, und: Hätten sie - als Feinde - gemeinsam eine Kantate komponiert?

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