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Genialer Musiker und moralische Autorität Kurt Masur ist gestorben

Wie lange willst Du dirigieren? So lang Du kannst oder so lang Du nützlich bist? Diese Frage trieb Kurt Masur immer um, so bekannte er in einem Interview. Um sie sogleich selbst zu beantworten: "Ich bin noch ziemlich nützlich."

Kurt Masur | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Kurz zuvor, im Herbst 2012, hatte Masur seine Parkinson-Erkrankung öffentlich gemacht. Und bereits im April war er während eines Konzerts in Paris vom Podium gestürzt. Dennoch mutete sich Kurt Masur Ende 2012 einen Beethoven-Zyklus zu, den er in Dresden und in München (fast komplett) leitete. 2013 stürzte er dann in Tel Aviv und brach sich die Hüfte. Zuletzt hatte er vom Rollstuhl aus dirigiert. Dass er von Krankheit und Alter gezeichnet war, bemerkten alle, die ihn von früher kannten. Keine Sprünge auf dem Podium mehr, kein beinah despotisches Gestikulieren vor den Musikern. Dafür Minimalbewegungen und musikalische Aufforderungen ins Orchester, die einzig über Blickkontakt liefen.

Von Anfang an eigenwillig

Kurt Masur wurde am 18. Juli 1927 in Schlesien geboren. Mit 16 hörte er in der Breslauer Philharmonie sein 1. Konzert und beschloss (gegen den Willen des Vaters), Dirigent zu werden. Eigenwillig war Masur immer: Sein Studium an der Leipziger Musikhochschule brach er ab, um als "Amateur", wie er sich selbst bezeichnete, seinen Weg zu gehen. Zunächst als Kapellmeister und Repetitor in Halle und Leipzig, dann als musikalischer Oberleiter in Schwerin und an der Komischen Oper in Berlin. 1967 wurde Masur Chef der Dresdner Philharmonie . Und 1970 übernahm er den Posten als Gewandhaus-Kapellmeister, den er 27 Jahre lang ausfüllte.

Kurt Masur im Radio auf BR-KLASSIK

Sonntag, 20. Dezember, 08:35 Uhr
In memoriam Kurt Masur

Montag, 21. Dezember, 18:05 Uhr
Klassik-Stars: Kurt Masur

Unnachgiebig im Einsatz für die Kultur

Mit seiner unnachgiebigen Art setzte er in Leipzig den Neubau des im Krieg zerstörten Gewandhauses durch. 1981 wurde das Konzerthaus am Leipziger Karl-Marx-Platz, dem heutigen Augustusplatz, eröffnet; hier entstanden noch zu DDR-Zeiten preisgekrönte Referenzaufnahmen wie die "Vier Letzten Lieder" von Richard Strauss mit Jessye Norman.

Historischer Aufruf

Als Staatskünstler der DDR hat sich Masur nie vereinnahmen lassen, ebenso wenig wurde er zum Mitläufer. Sein internationales Renomee  verlieh ihm bei den Machthabern der DDR eine gewisse Autorität. So konnte er es sich auch leisten, am 9. Oktober 1989 in Leipzig erstmals Vertreter der Staatsführung und Oppositionelle an einen Tisch zu bringen und den Aufruf "Keine Gewalt" an die Bevölkerung zu formulieren:

"Unsere gemeinsame Sorge und Verantwortung haben uns heute zusammengeführt. Wir sind von der Entwicklung in unserer Stadt betroffen und suchen nach einer Lösung. Wir alle brauchen einen freien Meinungsaustausch über die Weiterführung des Sozialismus in unserem Land. Deshalb versprechen die Genannten heute allen Bürgern, ihre ganze Kraft und Autorität dafür einzusetzen, dass dieser Dialog nicht nur im Bezirk Leipzig, sondern auch mit unserer Regierung geführt wird. Wir bitten Sie dringend um Besonnenheit, damit der friedliche Dialog möglich wird."

Die Panzer, die in der gesamten Leipziger Innenstadt aufgefahren waren, rollten nicht. Stattdessen demonstrierten 70.000 Bürger friedlich für Freiheit, während Kurt Masur drinnen im Gewandhaus "Till Eulenspiegels lustige Streiche" dirigierte.

Beethoven als Fundament

So hat Kurt Masur deutsch-deutsche Geschichte geschrieben - und international Karriere gemacht: als Chefdirigent des New York Philharmonic, des London Philharmonic Orchestra und des Orchestre National de France: ein Dirigent, der vor allem bei Mendelssohn, Brahms und Bruckner zu Hause war. Und für den im Alter nicht Bach, sondern Beethoven das "Fundament des Repertoires" bedeutete.

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