Vor einigen Jahren entwarf der Münchner Architekt Peter Haimerl einen Konzertsaal in Blaibach, der für viel Aufsehen sorgte. Nun hat er einen neuen Saal geplant - einen unterirdischen Konzert-Stollen, der in die Musikbegegnungsstätte "Haus Marteau" im oberfränkischen Lichtenberg integriert wird. Am 25. September fand der erste Spatenstich für den neuen Saal statt, die Eröffnung ist für April 2019 geplant. Welche Ideen hinter dem Projekt stehen, verrät Haimerl im Interview mit BR-KLASSIK.
Bildquelle: © Peter Haimerl Architekt
Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Wenn man Ihren Konzertsaal in Blaibach kennt, und jetzt den neuen Entwurf für den Konzertsaal des Hauses Marteau betrachtet, kann man zum Schluss kommen, dass Sie ein Höhlenmensch sind. Denn auch diesmal wollen Sie den Saal in die Erde hinein bauen. Warum verkriechen Sie sich als Architekt so gern?
Peter Haimerl: Ich verkrieche mich eigentlich gar nicht gern. Aber wenn Sie so eine tolle Villa haben, wo daneben ein neues Konzerthaus stehen soll, überlegt man schon ob es nicht besser wäre, ein wenig nach unten auszuweichen.
BR-KLASSIK: Aber verstecken Sie sich damit nicht auch ein bisschen?
Peter Haimerl: Ich glaube nicht dass wir uns verstecken. Für einen Konzertsaal brauchen wir nicht so viel Licht. Es stellt sich sofort Atmosphäre ein. Wir haben in diesem Gebiet auch Bergbau gehabt. Alexander von Humboldt hat hier seine Lehrjahre verbracht. Daher hat sich dieses "in die Erde hineingehen" auch angeboten.
Wir haben hier keinen reinen Konzertsaal gemacht.
BR-KLASSIK: Die Gegend um Hof ist eine kalte Gegend. Mit dem Konzertsaal in Blaibach im Bayerischen Wald ist Ihnen ein echter Coup gelungen - in einer Region, in der es bis dahin musikalisch nichts gab. Seitdem dieser Saal dort existiert, verfügt Blaibach und die Region dort über ein echtes Musikleben. Nun ist das Haus Marteau kein Konzerthaus in erster Linie, sondern eine Musikbegegnungsstätte. Welche anderen, vielleicht auch speziellen Anforderungen bringt das mit sich?
Der Architekt Peter Haimerl | Bildquelle: © Peter Haimerl Architekt
Peter Haimerl: Wir haben hier keinen reinen Konzertsaal gemacht, also mit einer Tribüne und einer Bühne, sondern wir haben eine zentrale Bühne, und beidseitig sind Sitzgelegenheiten angeordnet. Man kann sowohl vom Haus heraus als auch vom Freien den Saal betreten, so dass es eine Begegnungsstätte im wahrsten Sinne des Wortes ist.
Es gibt eine diagonale Sichtachse, es geht wirklich um Begegnung, um Austausch, um Zuhören im Kleinen. Ein Konzertereignis soll nur drei, vier oder fünf Mal im Jahr stattfinden. Der Saal ist komplett anders konzipiert.
BR-KLASSIK: Ich erinnere mich an einen Kurs, den ich selbst einmal als Student dort gemacht habe. Ich erinnere mich an eine bibliotheksartige Anordnung von zwei Zimmern, wo man schlecht sah, es war auch nichts erhoben. Wie wird die Situation jetzt sein?
Peter Haimerl: Wir werden eine doppelte Bühne haben, mit nur ein paar Stufen links und rechts. In der Mitte gibt es einen Vorführ-Bereich, wo man singen oder Klavier spielen kann, vielleicht auch unterrichten. Dieser Saal ist sehr gut einsichtig von allen Seiten. Man kann sich unterhalten, man kann sich auch unterschiedlich positionieren, sowohl als Zuschauer wie auch als Musiker. Man kann sich vielleicht in ein Eck verkriechen oder von oben herab Kommentare geben. Man kann aber auch ganz nah an die Bühne heran rücken und leise Kritik oder auch Zustimmung üben. Dieser Saal ist wirklich mehr auf einen konzentrierten Austausch angelegt.
BR-KLASSIK: Haben Sie mit einer sehr speziellen Betonmischung gearbeitet, die eine optimale Akustik ermöglichen soll? Mit welchen Materialien werden Sie in Lichtenberg arbeiten?
Der Park rund um das Haus Marteau | Bildquelle: © Peter Haimerl Architekt Peter Haimerl: Obwohl es viele nicht glauben, ist Beton ein ziemlich guter Baustoff für akustisch wirksame Wände. Deswegen werden wir hier höchstwahrscheinlich auch Beton verwenden, allerdings in heller, glatterer Form. Die Geometrie unterscheidet sich wesentlich von Blaibach. Wir haben hier mehr splitterartige Formen, mehr streuende Oberflächen.
BR-KLASSIK: Das Haus Marteau war ein Wohnhaus, gebaut zwischen 1911 und 1913 für den Geiger Henri Marteau. Sie arbeiten gern mit dem Altbestand, haben zuvor auch sehr von der alten Villa geschwärmt. Wie werden der Neubau und das bestehende Haus miteinander korrespondieren?
Peter Haimerl: Vor allem stellt sich auch die Frage, wie der Park, in dem das neue Haus steht, und das Konzerthaus korrespondieren. Das Besondere an der Villa ist dieser wunderschöne Park, der leicht hügelig am Hang liegt. Es gibt vielleicht eine kleine Stelle, an der man noch etwas verbessern kann, wo man einen Blick zum Ort Lichtenberg hat. Dort werden ein paar Spitzen aus dem Park herausschauen und den Park noch ein bisschen funkelnder erscheinen lassen.
Die Fragen stellte Falk Häfner für BR-KLASSIK.
Sendung: "Leporello" am 10. Oktober 2017, ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Mehrmals im Jahr wird das Haus Marteau in Lichtenberg zum Begegnungsort für junge Musiker aus aller Welt. Zahlreiche Studenten und Absolventen von Musikhochschulen aus dem In- und Ausland besuchen dann rund 30 Meisterkurse in der ehemaligen Künstlervilla des weltberühmten Geigers Henri Marteau. Regelmäßig unterrichten dort namhafte Instrumentalisten. Die Villa inmitten einer ruhigen Parkanlage bietet den Nachwuchstalenten ideale Studienbedingungen. Kostproben ihres Könnens geben die Musiker im Anschluss an die Meisterkurse in öffentlichen Konzerten. Als Konzertsaal werden bislang unter ungünstigen Sichtverhältnissen das frühere Speisezimmer und die angrenzende Bibliothek verwendet.