Am Freitag, den 20. November, debütierte die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Das Konzert fand wegen des coronabedingten Lockdown light im November nur als Videostream, ohne Publikum statt.
Vier Frauen stehen in der laufenden Saison beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks am Pult. Als Erste kommt die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv, die in Lwiw, dem alten Lemberg, studiert hat und frühe Erfahrungen bei den Bamberger Symphonikern sammelte. Bekannt wurde Oksana Lyniv als Assistentin von Generalmusikdirektor Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper, wo sie bald selbst Aufführungen und Premieren leitete. Nach einer Zwischenstation als Chefdirigentin der Oper Graz folgt nächstes Jahr ein vorläufiger Höhepunkt ihrer Karriere: Im Sommer 2021 debütiert Oksana Lyniv mit Wagners "Fliegendem Holländer" bei den Bayreuther Festspielen.
Wir freuen uns alle, dass es immer mehr tolle, begabte, charismatische Frauen gibt, die Dirigentinnen werden.
Leider bleiben die Frauen am Dirigentenpult der großen Symphonieorchester und Opernhäuser immer noch eine Ausnahme. Oksana Lyniv setzt große Hoffnungen in den Nachwuchs: "Wir freuen uns alle, dass es immer mehr tolle, begabte, charismatische Frauen gibt, die Dirigentinnen werden." Sie ist fest davon überzeugt, dass in spätestens zehn Jahren der Frauenanteil in der Dirigentenwelt bei mindestens 25 Prozent liegen sollte.
Die Ukrainerin geht heute schon mit einem guten Beispiel voran: Sie hat eine steile Karriere hingelegt – in einer klar von Männern dominierten Welt. Um an gute Positionen zu kommen, müsse man erst einmal durch die Stereotypen-Wand durch, sagt Oksana Lyniv. In ihrer Studienzeit musste sie einige abwertende Bemerkungen ihrer männlichen Kollegen einstecken. Ein Erlebnis ist der Dirigentin besonders in Erinnerung geblieben: In einem Meisterkurs mit dem Stardirigenten Kurt Masur musste die Studentin sich anhören, sie wäre zu nichts fähig. "Wozu machst du das, wenn du sowieso nicht ernst genommen wirst", soll Masur öffentlich zu ihr gesagt haben. "Heutzutage wäre es unmöglich, in der Öffentlichkeit solche Sachen auszusprechen", sagt die heute 42-Jährige. "Die Zeiten sind Gott sei Dank anders."
Video ansehen:
aus dem Herkulessaal der Münchner Residenz
Konzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Oksana Lyniv
Solisten: Jehye Lee, Violine; Tobias Reifland, Viola
Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonia concertante Es-Dur, KV 364
Felix Mendelssohn Bartholdy: Symphonie Nr. 4 A-Dur - "Italienische"
Sendung: "Leporello" am 19. November 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK