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Premierenkritik Hermanis inszeniert "La Damnation de Faust" in Paris

Mit der Kritik an Deutschlands Flüchtlingspolitik hat der lettische Regisseur Alvis Hermanis einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. An der Pariser Oper hat er jetzt "La Damnation de Faust" von Hector Berlioz inszeniert. Mit Jonas Kaufmann als Faust in der Titelrolle.

Aufbruch zum Mars

Wer ist der Faust unserer Zeit? Diese Frage stellt Regisseur Alvis Hermanis sich und dem Publikum in einem szenischen Prolog und liefert gleich die Antwort: Stephen Hawking, der durch Krankheit paralysierte und an den Rollstuhl gefesselte Physiker. Der hat gesagt "Wenn die Menschheit überleben will, muss sie sich in neue, unberührte Welten aufmachen". Also bricht bei Hermanis zu Beginn der Oper gerade ein auserwählter Teil der Menschheit auf zum Mars, um diesen zu bevölkern. Warum? Na weil Faust ja auch dieser Welt überdrüssig ist.

Jonas Kaufmann als Normalo in Jeans und Sakko mit Intellektuellenbrille darf dann mit seinem Osterspaziergang beginnen und die Natur bewundern. Großaufnahmen von Naturvideos von Katrina Neiburga laufen in Zeitlupe über die ansonsten nur mit Glaskästen bestückte Bühne.  Aha, denkt man am Anfang, das kann ja spannend werden.

Symphatischer Mephisto und sourveräner Faust

Musikalisch spannend ist es auch. Philippe Jordan gelingen sowohl die kammermusikalisch zarten Stellen, als auch die gewaltigen dramatischen Passagen im Riesenraum der Bastille-Oper. Zu den Ballettmusiken tanzt und verdreht sich ein großer Bewegungschor junger Menschen eindrucksvoll aber auch ermüdend. Bryn Terfel als ziemlich sympathischer Mephisto im Anzug gesellt sich fabelhaft singend zu Kaufmanns souveränem Faust und zu Stephen Hawking, der vom Tänzer Dominique Mercy lebensecht dargestellt wird. Die Welt ist ein Forschungslabor, in den Glaskasten werden Menschen gequält. Wir sehen per Video eine Walfischkuh mit Kalb, die Entstehung eines menschlichen Embryos und – ein echter Lacher: Schneckensex zu Marguerites Liebesarie. Dabei singt Sophie Koch davon unbeeinflusst mit mädchenhaft berührender herrlich runder Stimme.

Die Mars-Hawking-Story von Hermanis  findet im Höllenfinale ihr Ende, wenn anstelle von Marguerite eben wieder Stephen Hawking in einer Apotheose verklärt wird. Selten ist sich ein Publikum so einig im Jubel für die musikalische Seite und einem vernichtenden Buhorkan, der das Regieteam von der Bühne vertreibt. Ein extremes Erlebnis in jeder Hinsicht ist diese Pariser Neuproduktion. Szenisch überladen mit künstlerischer Energie, die sich selbst neutralisiert, musikalisch hochintensiv und somit als Gesamteindruck dem Wahnsinn von Fausts Verdammnis wiederum ziemlich nahe.

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