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Verleihung des Opus Klassik 2020 Die Show der Appelle

Einer der bekanntesten Klassik-Preise in Deutschland ist der Opus Klassik, am Sonntagabend wurde er in Berlin verliehen. Es war eine ungewohnt politische Show.

Bildquelle: Monique Wuestenhagen

Es soll ja Leute geben, die nicht wegen der Preise zu Preisverleihungen gehen. Für die Preisträger und Dankesreden nur Pflichterfüllung sind, bevor der eigentliche Teil des Abends mit kaltem Büffet und Aftershow-Party beginnt. Wer das erwartet hat, bei der Verleihung des Opus Klassik 2020 wäre er falsch gewesen. Denn Corona-bedingt fielen nicht nur Büffet und Party aus, auch die Verleihung selbst war ungewöhnlich.

Ganz gewöhnlich zunächst aber die Rahmenbedingungen: Konzerthaus Berlin, Thomas Gottschalk moderiert wie Gottschalk eben moderiert im Goldbär-goldenen Anzug, deutsche Schauspielerinnen mühen sich mit Laudationes vom Teleprompter, das ZDF überträgt die Gala am späten Abend. Unter den Preisträgerinnen und Preisträgern sind einige Nachwuchskünstler, Musikvermittlungsprojekte wurden ebenso ausgezeichnet, aber auch die altbekannten großen Namen: Anne-Sophie Mutter wird als Instrumentalistin des Jahres geehrt, Rudolf Buchbinder für sein Lebenswerk, Jonas Kaufmann gewinnt in der Kategorie "Klassik ohne Grenzen".   

Ich freue mich, dass ich immer noch zu den 'heißen Eisen' der Klassik zähle.
Jonas Kaufmann, Tenor

Musiklabels bestimmen den Echo Klassik

Auch Jonas Kaufmann und Diana Damrau wurden ausgezeichnet. | Bildquelle: Monique Wuestenhagen Alle Ehrungen beziehen sich auf konkrete Aufnahmen, denn der Opus Klassik ist in erster Linie ein Preis der Musikindustrie. Die Labels reichen ihre Bewerbungen ein, eine neunköpfige Jury – vier Vertreter der Musiklabels, eine Vertreterin der Musikverlage, ein Intendant und drei Journalisten – wählt daraus dann die knapp 50 Siegerinnen und Sieger. Die Prägung als Branchenpreis ist ganz klar, sie liegt in der Geschichte des Preises, denn der Opus ist der Nachfolger des Echo Klassik, der nach großem Protest eingestellt wurde.

Aber auch ein Branchenpreis kann ein gutes Händchen für gute Künstler haben. Und das hat der Opus Klassik in diesem Jahr: Gerade die Trägerinnen und Träger der Nachwuchspreise (Sänger Benjamin Bernheim, Sängerin Elsa Dreisig, Pianistin Isata Kanneh-Mason, Klarinettistin Annelien van Wauwe) werden auch manchem Klassikfan noch nichts sagen. Sie können die Aufmerksamkeit so eines Preises gebrauchen – auf der Fernsehbühne stehen und spielen dann aber doch die bekannten Klassikpromis.

Preisverleihung trotz Corona

Klingt auch gut: Der Opus Klassik. | Bildquelle: Monique Wuestenhagen Allerdings sind einige Künstler auch dazu gezwungen, zu Hause zu bleiben. Berlin ist Corona-Hotspot, Hochrisikogebiet, gerade aus dem Ausland die Einreise nicht ganz einfach. Die, die da sind, müssen sich an ein Hygienekonzept halten, Abstand halten und Masken tragen, ihre Preise bekommen sie nicht überreicht, sondern müssen sie selbst vom Tisch nehmen. Sogar das Bussibussi mit Thomas Gottschalk entfällt. Das Berliner Konzerthaus mit großen Abständen im Publikum wirkt leer, das kann auch die geschickteste Bildregie nicht verstecken.

Warum also überhaupt eine Preisverleihung in dieser Zeit und an diesem Ort? Schließlich werden weltweit inzwischen wieder mehr und mehr Konzerte und Veranstaltungen wegen steigender Infektionszahlen abgesagt. Die Antwort ist: Sie wollen es beweisen. Künstler und Veranstalter wollen zeigen, dass Kultur trotz Corona möglich ist. "Gemeinsam wollen wir auf und hinter der Bühne die Stimme erheben, damit klassische Musik ihre wichtige Funktion in unserer Gesellschaft weiter wahrnehmen kann", sagt Clemens Trautmann, Chef des Vereins zur Förderung der Klassischen Musik e.V., der den Preis ausrichtet. Das kann man trotzig nennen, oder auch mutig.

3000 Euro Corona-Soforthilfe für Soloselbstständige in Bayern seit März – da fehlen mir die Worte.
Anne-Sophie Mutter, Geigerin

Mutter, Kaufmann, Buchbinder: Alle appellieren

Bildquelle: Monique Wuestenhagen Und so wurde jede Dankesrede zum Appell. Anne-Sophie Mutter erinnerte etwa an die Menschen in der Kulturbranche, die seit der Corona-Krise arbeitslos sind. "An uns Musikern hängt ja nicht nur das Einzelschicksal. Sondern auch die Agenten, die Veranstalter, die Grafiker, die Fotografen, die Komponisten, der Caterer, das Reiseunternehmen und so weiter – das ist eine riesige Kaskade." Rudolf Buchbinder fordert, dass wieder mehr Kultur ermöglicht wird. Jonas Kaufmann richtete sich ans Publikum: "Sorgen Sie dafür, dass der Wunsch nach dem Überleben der Kultur an die Politik weitergetragen wird."

Zunächst sind das nur Appelle, die leicht in den hohen Decken des Berliner Konzerthauses verhallen können. Auf der anderen Seite ist es für eine solche Galaveranstaltung ungewöhnlich, überhaupt politisch zu sein. Dass die Nöte insbesondere der freischaffenden Künstler im Fernsehen einem breiten Publikum vermittelt werden, hat der Veranstaltung immerhin Sinn gegeben. Die Aftershow-Party gibts dann wohl nächstes Jahr wieder.

Sendung: Allegro am 19. Oktober 2020 ab 06.05 Uhr