Als Hans Pfitzner 1919 nach Schondorf an den Ammersee zog, war sein musikalischer Stern schon am Untergehen. So war sein bedeutendstes Werk, die Oper "Palestrina", zwei Jahre zuvor im Münchner Prinzregententheater unter Bruno Walter uraufgeführt worden. In seiner Schondorfer Zeit komponierte Pfitzner etwa die romantische Kantate "Von deutscher Seele", ein Streichquartett, oder sein Klavierkonzert.
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Hans Pfitzner hatte aber noch eine andere Seite: Er betrieb Wahlkampf für die Nationalsozialisten, begrüßte den Anschluss Österreichs, biederte sich an Hitler an, verachtete italienische und französische Opern, unterschrieb den "Protest der Richard-Wagner-Stadt München" gegen Thomas Mann, der diesen ins Exil zwang, äußerte sich immer wieder antisemitisch und relativierte nach dem Krieg sogar den Holocaust. Deswegen macht sich der im Nachbarort Utting wohnende Alexander Behnke seit Jahren dafür stark, dass das Schondorfer Pfitznerdenkmal abgebaut wird. "Das ist der schönste Platz in Schondorf. Direkt am See. Und mich stört prinzipiell ein Denkmal für jemanden, den ich nicht denkmalwürdig finde", erklärt er. Pfitzner sei für ihn dabei unbestreitbar ein Antisemit, das hätten mindestens fünf Kommissionen, die Straßennamen in verschiedenen Städten untersucht haben, festgestellt. "Und für einen Antisemiten kann es kein Denkmal geben."
In seiner Schondorfer Zeit komponierte Pfitzner etwa sein Klavierkonzert oder ein Streichquartett. | Bildquelle: picture-alliance/akg Das sollte man differenzierter sehen, wünscht sich die Autorin Sabine Busch-Frank. In ihrem Buch "Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus" hat sie festgestellt, dass der Komponist kein struktureller Antisemit war. Ihrer Ansicht nach ist er vor allem dann antisemitisch geworden, wenn er sich selbst oder sein Werk angegriffen sah, dann keilte er aber auch gegen jeden anderen aus. An anderer Stelle lehnte er den Antisemitismus auch wieder ab und hatte jüdische Freunde wie Bruno Walter oder den Schriftsteller Paul Nikolaus Cossmann, für den er sich auch einsetzte, als er verfolgt wurde. Diese Widersprüchlichkeit sollte die Welt aushalten, findet Sabine Busch-Frank. Denn künstlerisch habe er diese Eliminierung nicht verdient. Dann müsse man andere Leute seiner Generation genauso eliminieren und damit sei uns allen nicht gedient: "Wenn jede Orffstraße, jede Richard-Strauss-Straße, jede Werner-Egk-Straße, wenn die alle auch abgebaut werden, das wollen wir uns doch nicht nehmen, dass wir diese Form der Musik nicht mehr bekommen, weil wir uns von vornherein gegen diese Person so verwehren", argumentiert Busch-Frank.
Der grüne Bürgermeister, Alexander Herrmann, ist aufgeschlossen dafür, über die Zukunft des Pfitzner-Denkmals und auch der Pfitzner-Straße in Schondorf kritisch nachzudenken. Der Gemeinderat soll sich noch im Oktober damit befassen. Er persönlich wäre dafür, das Denkmal stehen zu lassen und sich mit einem Kommentar von der problematischen Seite Pfitzners zu distanzieren. "Es bietet sich fast an, genau diesen Kommentar mit auf die andere Seite zu schreiben, dass man sagt: Natürlich war Pfitzner ein hervorragender Komponist, und trotzdem gibt es eine zweite Seite von Pfitzner, die dem Nationalsozialismus durchaus zugetan war", sagt er. Eine andere Möglichkeit wäre für Herrmann auch, das Denkmal zu entfernen. Dann aber solle an der Stelle ein Stein oder eine Tafel aufgestellt werden, die besagt, dass an dieser Stelle einst ein Denkmal für den Komponisten Pfitzner stand und die erklärt, warum man es weggenommen hat. Die Pfitzner-Biografin Sabine Busch-Frank ist hingegen dafür, Pfitzner-Denkmal und Straßennamen zu kommentieren, anstatt sie zu entfernen: "Und ich würde mir wünschen, dass man ihn wieder hört. Ich finde es schade, dass er so von den Bühnen und von den Konzertsälen verschwunden ist." Sie selbst habe erlebt wie bei einer Vorstellung Handzettel verteilt wurden, die potenzielle Zuschauer auf Pfitzners Hintergrund hinwiesen: "So nach dem Motto: Geht da nicht rein, das ist ein böser Nazi. Und das finde ich auch verkürzt." Denn auf diese Art und Weise mit einem kulturellen Erbe umzugehen, hält Sabine Busch-Frank für gefährlich: "Das macht alles platt und sehr einfach. Das Leben ist aber nicht schwarz und weiß."
Sendungen:
"Allegro" am 19. Oktober 2021 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
"Leporello" am 19. Oktober 2021 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK