Brustbehaarung ist hier nicht ganz unwichtig, notfalls liefern die Strand-Schafe die Wolle: Gilbert und Sullivans Parodie auf britischen Dünkel und Männlichkeitsgehabe wird am Staatstheater Nürnberg zu einem amüsanten Nonsense. Das Publikum jubelte.
Bildquelle: © Pedro Malinowski
Die Engländer wissen ja schon lange, dass da draußen eigentlich niemand herumläuft, der ernst zu nehmen wäre, außer vielleicht die Queen, aber unter denen auch nur Victoria. Alle anderen sind mehr oder weniger vertrottelte Zeitgenossen, darunter Piraten, Polizisten, Generalmajore, Gouvernanten, Töchter und Liebhaber. Mag sein, das sich solche Würden- und Bedenkenträger hierzulande für wichtig und imposant halten, auf der Insel verstehen sie sogar Spaß, den allerdings nehmen sie geradezu tierisch ernst, und deshalb landeten Textdichter William Schwenck Gilbert und Komponist Arthur Sullivan mit ihren "Piraten von Penzance" 1879 einen fulminanten Erfolg, der bis heute anhält.
Klar, da treten herrlich beschränkte und gleichzeitig edelmütige Seeräuber auf, aber eigentlich ging es den Machern damals um ganz andere Piraten, nämlich die, die sich an geistigem Eigentum vergreifen, also schamlos Erfolgsstücke nachspielen, ohne den Autoren dafür auch nur einen Penny zu bezahlen. Diese Art Freibeuter des Copyrights machten seinerzeit nicht nur Gilbert und Sullivan das Leben schwer, wie dem Programmheft der Nürnberger Inszenierung zu entnehmen war.
Bildquelle: © Pedro Malinowski Der viel beschäftigte Regisseur Christian Brey, der jahrelang mit Harald Schmidt zusammenarbeitete und im Team von dessen Late-Night-Show war, setzte bei seinen "Piraten" ganz auf typisch britischen Humor, also Slapstick, bizarre Kostüme, affektierte Gesten, aberwitzige Kampfchoreographien und eine erfreulich schrullige und gekonnte neue deutsche Übersetzung von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting , die dank der eingesetzten Mikrofone auch Wort für Wort zu verstehen war.
Der Jubel des Publikums am Ende war völlig verdient, machten Brey und seine Ausstatterin Anette Hachmann doch nicht den Fehler, die "Piraten von Penzance" optisch und inhaltlich irgendwie in die Gegenwart zu holen, wo sich die Seeräuber vermutlich eh nur einen Burn- oder Bore-Out geholt hätten. Na gut, ein paar Verweise auf den "Fluch der Karibik" waren schon drin, so war der Piratenkönig Richard ähnlich anlehnungsbedürftig und kokett wie Johnny Depp im Film, hatte aber deutlich mehr Brustbehaarung, wobei die Wolle teilweise ausgeliehen wurde. So viele Schafe, wie in Nürnberg auf der Bühne am Strandhafer knabberten, übrigens alle namentlich gekennzeichnet, gab's im Kino jedenfalls nicht.
Die Geschichte dieser komischen Oper, die halb Musical, halb Operette ist, passt in einen Satz: Piratenlehrling Frederic will ein anständiger Mensch werden, was ihm auch deshalb gelingt, weil sich am Ende überraschend herausstellt, dass die Piraten gar keine sind, sondern treue Untertanen ihrer Majestät. Und weil sie gleichzeitig alle Singles sind, dürfen sie zum Finale mit den zahlreichen Töchtern des Generals glücklich werden, was freilich nicht alle Betroffenen begeistert.
Es war geradezu erstaunlich, wie alle Mitwirkenden diesen aberwitzigen und höchst amüsanten Blödsinn mitmachten. Alle Achtung, wie der Chor seine Tanzeinsätze geprobt hatte (Choreographie Kati Farkas), wie jeder einzelne Pirat Furcht und Necken verbreitete, wie die kampfentschlossene Polizistenschar sich hinter die Hecke flüchtete, die Töchter-Kompanie ausgelassen übers Wetter schnatterte, und der Papagei schwierigste Texte dolmetschte: Heißt es Waise oder Weise? Der Vogel krächzte laut, aber leider nicht eindeutig.
Bildquelle: © Pedro Malinowski So gut funktioniert Satire im Musiktheater selten, soviele Lacher sind auch nicht gerade üblich. Der schottische Tenor John Pumphrey war als Frederic hinreißend und jederzeit von heiliger Pflichterfüllung beseelt, selbst, als er erfahren musste, dass er an einem 29. Februar geboren wurde und daher laut Vertrag noch 63 weitere Jahre für die Piraten zu schuften hatte, nämlich bis zur Volljährigkeit, seinem 21. Geburtstag.
Großartig auch Hans Gröning als so empfindsamer wie scheuer Piratenkönig, Hans Kittelmann als schlafmütziger Generalmajor und Ronny Miersch in der Doppelrolle des beckenschwingenden Polizei-Sergeanten Edward und des alten Piraten Smee, der mit seiner Weisheit am Ende ist, meist am falschen. Dem gegenüber hatten es Emily Bradley als vom Himmel herabschwebende Mabel und Almerija Delic als mannstolle Piratenbraut Ruth nicht leicht, vertreten sie in diesem Stück doch die Poesie, nicht den derben Humor. Dirigent Guido Johannes Rumstadt hätte ruhig noch mehr Pathos reinlegen können in diesen Schabernack, spielt Arthur Sullivan in seiner Partitur doch ziemlich frech mit der Neigung seiner britischen Landsleute zu Hymnen und erhebenden Chorälen. Insgesamt ein herrlich abgedrehter Abend im Staatstheater Nürnberg, nicht nur für Fans englischer Parodie.
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