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Bellinis "Sonnambula" Die Nachtwandlerin am Gärtnerplatztheater

Zum Saisonauftakt gab's am Münchner Gärtnerplatztheater Bellinis Belcanto-Oper "La Sonnambula". Die Nachtwandlerin Amina versetzt darin ein friedliches Schweizer Bergdorf in helle Aufregung. Franziska Stürz war für BR-KLASSIK dabei.

Bühnenszene "La Sonnambula", Gärtnerplatztheater München | Bildquelle: Thomas Dashuber

Bildquelle: Thomas Dashuber

Premierenkritik

La Sonnambula am Gärtnerplatztheater

Idyllisch sind sie , die Schweizer Berge. So rein plätschert der Bach von der Videoprojektion im Hintergrund, so grün sind Wiesen und Wälder, die sich in optischen Effekten öffnen und das Publikum in die Szenerie ziehen, und so nett sind die einfachen Bergbewohner. In Michael Sturmingers hochromantischer Version von Bellinis "Sonnambula" erscheinen die Dörfler im adretten Biedermeier-Gewand von Renate Martin und Andreas Donhauser wie aus einem Spitzweg-Gemälde entsprungen.

Ein gläserner Guckkasten wandelt sich auf der Bühne in den jeweiligen häuslichen Raum und ermöglicht vielfältige Einblicke in das Geschehen, bei dem der Chor eine ebenso große Rolle spielt wie die Solisten. Chor und Extrachor des Staatstheaters am Gärtnerplatz brillieren in dieser ungekürzten Version von La Sonnambula szenisch und musikalisch mit selten zu hörender Feinheit.

Überzeugendes Ensemble

Mit wunderbarer Leichtigkeit musiziert Marco Comin mit dem Staatsorchester und breitet einen federnden, duftigen Klangteppich für die berühmten endlosen Melodiebögen Bellinis. Selbst in den ausgeschmückten Da Capo Teilen der Arien hält Comin die Spannung. Selten gelingt ein Bellini musikalisch so kurzweilig und aufregend. Die überspannte Nachtwandlerin Amina im Liebestaumel ist eine Paraderolle für den zarten, strahlenden Sopran von Jennifer O'Loughlin, auch wenn ihre Figur szenisch die erträglichen Grenzen der Naivität gelegentlich überschreiten muss. Auch Maria Nazarova als kecke, intrigante Lisa füllt ihren Part vollkommen aus. In ihrer Braut-Szene sprengt Sturminger sein eigenes Biedermeier-Konzept und lässt sie in Tüllwolkenkleidchen und Sixties-Schleierchen auf dem Tisch tanzen. Mit schier atemberaubenden Spitzentönen gewinnt Arthur Espiritu als eleganter Elvino nicht nur das Herz der Frauen auf der Bühne.

Komik und Tragik liegen in dieser Bellini-Oper erstaunlich nah beieinander und Michael Sturminger zeigt diese Gratwanderung mit spürbarer Liebe zum Stück. Die Optik der Empirekleider und Biedermeierhüte vor projizierter Landschaftsmalerei mag manch einen wegen Kitschgefahr auf emotionaler Distanz halten. Die musikalische Intensität dieser umjubelten Gärtnerplatztheater- Neuproduktion der Nachtwandlerin dürfte keinen unberührt lassen.

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