Wenn eine Operettenhandlung drei Minuten dauert, der Abend aber drei Stunden, dann muss zwangsläufig jede Menge Zeit überbrückt werden. Zeit, in der sich ein Regisseur austoben kann, vorausgesetzt, er hat Ideen. Daran herrscht bei Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, kein Mangel. An seinem Haus hat er nun die Operette "Die Perlen der Cleopatra" von Oscar Straus wiederbelebt - und mit den Schauspielern Dagmar Manzel und Dominique Horwitz in den Hauptrollen prominent besetzt.
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Kosky gräbt schon länger als Operetten-Archäologe in der deutschen Musikgeschichte, fördert immer wieder neue, längst verschüttete Singspiele herauf und bläst den Staub von ihren Noten. Er will damit an die große Unterhaltungstradition der Weimarer Republik anknüpfen, als Berlin neben Wien der Mittelpunkt der Operetten- und Revuewelt war.
"Die Perlen der Cleopatra" von Oscar Straus waren 1924 der Hit der Saison, nicht zufällig ging es um Ägypten: Damals war das Grab des Tutenchamun gerade entdeckt, und die berühmte Büste der Nofretete wurde erstmals öffentlich ausgestellt. Prompt übernahm der höchst bezahlte Bühnenstar der damaligen Zeit die Hauptrolle der Pharaonin, die so verruchte wie komödiantische Fritzi Massary, und der noch unbekannte Heldendarsteller Hans Albers war als römischer Feldherr Marcus Antonius besetzt. Und Stars standen folgerichtig auch gestern Abend in der Komischen Oper auf der Bühne: Dagmar Manzel, bekannt als fränkische Tatort-Kommissarin Paula Ringelhahn, gab eine schwer berlinernde und sehr forsche Königin, der ebenfalls fernsehbekannte Schauspieler und Chansonnier Dominique Horwitz war als so tuntiger wie zickiger Chefminister Pampylos zu erleben und blieb leider viel zu sehr überdrehte Karikatur.
Da war viel Klamauk im Spiel, viele Albernheiten, letztlich zu viele, was deshalb auffiel, weil die Operette nicht gerade zu den musikalisch stärksten Werken von Oscar Straus gehört. Seine Satire auf Richard Wagners "Ring des Nibelungen" zum Beispiel ist sehr viel bissiger. An Dagmar Manzel lag es nicht, dass sich der Abend in die Länge zog: Sie glänzte nicht nur als kratzbürstige und liebesbedürftige Diva, sondern auch als Bauchrednerin. Über weite Strecken leistete ihr nämlich Katze Ingeborg Gesellschaft, beim Protokollempfang wie beim Frühstück im Bett.
Bildquelle: Iko Freese Natürlich wurden alle Cleopatra-Klischees bedient, ja überstrapaziert: Immer wieder löste sie eine Perle in Wein auf, immer wieder spielte sie mit ihrem Schmuck, und sie vergaß auch nicht zu erwähnen, dass sie in Milch badet. Kein Römer war sicher vor ihr, nicht der arglose Soldat Silvius, und nicht der Feldherr Antonius, der sein Alkoholproblem gern mit ihr teilte. Regisseur Kosky machte sich auch einen Spaß, Verdis "Aida" zu karikieren. So wurden die beiden Verliebten am Ende in einen Mumiensarg eingeschlossen, es wurde eine einsame Aida-Trompete geblasen und das Orchester spielte ein paar Takte Triumphmarsch.
Das offensichtlich amüsierte Publikum reagierte dankbar, und doch war der Abend nicht nur sehr vorsehbar, sondern blieb letztlich weit unter seinen Möglichkeiten. Choreograf Otto Pichler war für die viel beschäftigten Tänzer leider nicht halb so viel eingefallen wie der Kostümbildnerin Victoria Behr. Auch Ausstatter Rufus Didwiszus sprühte vor Fantasie: Er setzte auf schwarz-weiße Vexierbilder, schwindelerregende optische Täuschungen und hatte für die Königin ein pompöses Bett und eine dazu passende, perlengefüllte Badewanne entworfen. Dirigent Adam Benzwi tat sein Bestes, das Geschehen mit dem Orchester möglichst schwungvoll und ironisch zu kommentieren. Und trotzdem war immer wieder viel Leerlauf zu hören. Nicht jede Antiquität ist eben ein Glanzstück.
Premiere war am 3. Dezember, weitere Termine und Informationen unter komische-oper-berlin.de
Mehr zu "Die Perlen der Cleopatra" gibt's auch in der Sendung "Operetten-Boulevard". Aktuelle Kritiken zu Opernproduktionen hören Sie morgens ab 6.05 Uhr im BR-KLASSIK-Magazin "Allegro".