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Kritik - Menottis "The Consul" in München Kein Schiff für Ertrinkende

Gian Carlo Menottis 1950 uraufgeführte und mit dem Pulitzer-Preis gekrönte Oper "The Consul" entstand unter dem Eindruck von Flüchtlingsschicksalen, wie sie in den USA als Folge des Zweiten Weltkrieges häufig vorkamen. Erzählt wird Magda Sorells aussichtsloser Kampf um Asyl als Frau eines politisch Verfolgten. Am 28. März 2017 kam die Oper auf die Bühne des Münchner Cuvilliés-Theaters - als Produktion des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper. Eine Geschichte, wie sie aktueller nicht sein könnte.

Bildquelle: © Wilfried Hösl

Ein kahles, kaltes Zimmer. Vielleicht ein Plattenbau? In einem Land, wo junge Männer vor der Geheimpolizei flüchten und mit Pistole, Handy und Laptop bewaffnet in den Untergrund flüchten. Frau, Kind und Mutter bleiben zurück und müssen versuchen, sich auf legalem Weg in Sicherheit zu bringen. Doch Konsulat und Geheimpolizei haben sich bereits arrangiert.

Es fallen einem sofort Länder ein, in denen es genau diese Situation heute gibt. Gian Carlo Menotti hat sie bereits vor 70 Jahren als mörderische Falle in seiner Oper "The Consul" entlarvt. Um so erstaunlicher, dass dieses erschreckend aktuelle und tief bewegende Stück nicht seit Monaten auf den Spielplänen unserer Opernhäuser steht. Zum Glück hat es die Bayerische Staatsoper für seine diesjährige Opernstudio-Produktion ausgewählt. Sie landet so mit dem jungen Team um Regisseurin Christiane Lutz im kleinen Cuvilliés-Theater einen Coup, der die eigenen Mammutproduktionen im großen Haus in den Schatten stellt.

Klang-Eruptionen und surreale Traumsequenzen

Szenenbild "The Consul" vom Opernstudio der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: © Wilfried Hösl Joshua Owen Mills als Zauberer Nika Magadoff und Niamh O'Sullivan als Sekretärin | Bildquelle: © Wilfried Hösl Das glänzend spielende Münchener Kammerorchester unter dem jungen britischen Dirigenten Geoffrey Paterson bringt Menottis schillernde, kommentierende und aufwühlende Musik voll zur Geltung. Mächtige Klang-Eruptionen und zunehmend surreale Traumsequenzen begleiten die nach dem Tod ihres Kindes mehr und mehr in Verzweiflung und Wahnsinn abdriftende Hauptfigur Magda. Bis zum bitteren Selbstmord-Schluss.

Eine fordernde, dramatische Partie, in der die junge Italienerin Selene Zanetti auf grandiose und bewundernswerte Weise brilliert. Auch Johannes Kammler als ihr kämpferischer Ehemann John überzeugt mit seinem runden, volltönenden Bariton. Und die erst 22-jährige irische Mezzosporanistin Niamh O'Sullivan hat als Sekretärin die Macht der Bürokratie zu verkörpern. Sie hält dabei unserer Gesellschaft den entlarvenden Spiegel mit herrlich warmer Stimme vor.

Eindrücke aus den Proben in Bildern

Reife und Intensität treffen auf feinfühlige Regie

Dass das gesamte internationale Ensemble des Opernstudios mit solch enormer Reife und Intensität den pausenlosen zweistündigen Opernkrimi souverän herüberbringt, liegt auch an der feinfühligen, klugen Regie von Christiane Lutz. Die Asylsuchenden auf dem Konsulat sind alle in unaufgeregt-schonungsloser Art lebensnah gezeichnet. Christiane Lutz zeigt Magdas Kind nicht als Baby, sondern als Jungen, der beim Spielen im Konsulat von der Brüstung in den Tod stürzt.

Zusammen mit Bühnenbildner Christian Andre Tabakoff zeigt die Regisseurin die kahle Wohnung, das öde Amt mit treffenden Details wie dem Fotoautomaten, dessen Bilder nie das richtige Format haben. Oder die Wartenummern, ohne die man gar nicht an die Reihe kommt. Menottis Libretto legt Magda Sätze in den Mund, die einen erstarren lassen: "Es gibt Tausende wie mich, müssen wir deshalb sterben? Kein Schiff, keine Küste für Ertrinkende im Meer." Diese Produktion des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper sollte jeder gesehen haben.

Weitere Infos

Gian Carlo Menotti: "The Consul"

Cuvilliés-Theater München

Geoffrey Paterson, Musikalische Leitung
Christiane Lutz, Regie

Münchener Kammerorchester
Opernstudio der Bayerischen Staatsoper

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