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Kritik - Meyerbeers "Hugenotten" an der Deutschen Oper Berlin Pariser Chic und calvinistische Strenge

"Ein feste Burg ist unser Gott". Mit Luthers berühmtestem Choral beginnt Giacomo Meyerbeers vor 180 Jahren in Paris uraufgeführtes Werk, einer der größten Opernerfolge des 19. Jahrhunderts. Aber fest gefügt ist in David Aldens Inszenierung nichts, denn das Massaker der Bartholomäusnacht droht und schwebt schon vor ihrem Beginn über dem Liebesdrama zwischen der katholischen Hofdame Valentine und dem protestantischen Edelmann Raoul.

Szenenbild "Die Hugenotten" an der Deutschen Oper Berlin | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Der New Yorker Regisseur verortet den Horror der Glaubenskriege weder im 16. Jahrhundert noch in der Moderne. Die Zeiten wechseln, aber es wird völlig klar, dass unsere Religionskriege in Europa damals genauso blutig und menschenverachtend waren wie jene des sogenannten Islamischen Staates heute. "Dieu le veut" - "Gott will es". Die Katholiken haben die ihrer Ansicht nach ungläubigen Alten, Schwangeren und Babys abgeschlachtet, so wie dies heute unter anderen religiösen Vorzeichen im Irak oder in Syrien geschieht. Alden inszeniert einen Reißer zwischen Operette und Gottesdienst. Vergnügungssüchtige Hedonisten feiern ihre Liebeshändel, und in den Kirchenbänken verwandeln sich singende Gläubige in kapuzenverhüllte Ku-Kux-Klan-Mitglieder, blutige Handschuhe recken sich zur Decke. Das Nonnenhabit der weiblichen Kirchenbesucher wirkt genauso sinnenfeindlich wie das strenge Schwarz der Calvinisten und so frauenverachtend wie der Tschador oder der Niquab. Und gleichzeitig singt und tanzt die Jugend operettenhaft über die Glaubensgräben hinweg.

Präzise inszeniert

Szenenbild "Die Hugenotten" an der Deutschen Oper Berlin | Bildquelle: © Bettina Stöss Szenenfoto aus der Inszenierung von Meyerbeers "Hugenotten" an der Deutschen Opern Berlin | Bildquelle: © Bettina Stöss "Les Huguenots" ist ein Mammutwerk, das alle Kräfte eines Opernhauses bindet. Fünf Akte, fünf Stunden dauern die Hugenotten - ein Langlauf zwischen Operette und Tragödie, Pariser Chic und calvinistischer Strenge. Doch keine Sekunde kommt Langeweile auf. David Alden hat in der Deutschen Oper Berlin schon zwei umjubelte Britten-Inszenierungen präsentiert, diese "Hugenotten" aber sind sein Berliner Meisterstück. Der Sohn eines Broadwaystars inszeniert jeden Chorsänger präzise und einzeln, seine Solisten bis in die kleinste Handbewegung genau. Bezaubernd und besonders umjubelt: die Italienerin Patrizia Ciofi als Marguerite von Valois. Marguerite flirrt und spielt und ironisiert ihr eigenes Belcanto. Der peruanische Tenorstar Juan Diego Flórez ist ein eleganter unglücklich Liebender mit einem strahlenden, ganz leicht metallischen, aber ungemein ausdrucksstarken Tenor.

Trauung in letzter Minute

Die schreckliche Liebesgeschichte voller Missverständnisse rast auf ihr grauenvolles Ende zu. Raoul will seine Glaubensbrüder retten vor den entfesselten katholischen Mörderbanden. Der Dachstuhl des Gotteshauses senkt sich langsam herab, in seinen Streben sind die Protestanten ebenso gefangen wie die verfolgten Juden im Warschauer Ghetto. Valentine tritt zum Protestantismus über, die Katholiken stürmen das Dach. Der alte Diener von Raoul traut die Liebenden kurz vor ihrem Tod. Ante Jercunica als Marcel hat mit seinem einzigartigen Bass Begeisterungsstürme eingefangen.

Musikalisches Juwel

Der Dirigent Michele Mariotti aus Pesaro formte die Hugenotten auch musikalisch zu einem Juwel. Meyerbeers viel zu selten gespieltes großes Werk ist der Höhepunkt einer grandiosen Berliner Opernsaison und unbedingt einen Besuch wert.

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