Anfang der 90er-Jahre kam Rebecca Saunders als DAAD-Stipendiatin nach Deutschland, heute lebt und arbeitet sie in Berlin - am liebsten nachts. Die 1967 in London geborene Komponistin hat schon massenweise Preise gewonnen, nun bekommt sie den mit 250.000 Euro dotierten Ernst von Siemens Musikpreis. Die Preisverleihung findet am 7. Juni im Münchner Prinzregententheater statt. BR-KLASSIK überträgt live im Videostream.
Bildquelle: © Astrid Ackermann für musica viva
"Sind Sie sicher?" Das war Rebecca Saunders' erste Reaktion, als die Jury sie noch aus der Sitzung anrief und ihr mitteilte, sie bekomme den Ernst von Siemens Musikpreis. Dabei ist sie es doch eigentlich gewohnt, ausgezeichnet zu werden. Die Förderpreise der Akademie der Künste und der Ernst von Siemens Musikstiftung hat sie schon, ebenso den GEMA-Musikpreis und den Royal Philharmonic Society Award.
Von Musik war die britische Komponistin schon immer umgeben: Vier Klaviere standen in der elterlichen Wohnung, irgendeins wurde immer gespielt. Rebecca Saunders konnte schon Noten lesen, bevor Buchstaben ihr etwas sagten. Sie komponierte Lieder am Klavier, lernte und studierte schließlich Geige. Bis sie eines Tages die Chiffre-Stücke von Wolfgang Rihm hörte. Wie magisch angezogen von dieser Klangsprache kam sie nach Deutschland – ohne ein Wort Deutsch zu sprechen.
Mir ist wichtig, mir jedes Mal eine komplett neue Frage zu stellen, mich mit dem Unbekannten zu konfrontieren.
Rebecca Saunders blieb in Deutschland, studierte Komposition in Karlsruhe bei Rihm und lebt seit vielen Jahren in Berlin: "Ich liebe es, in der Großstadt zu sein, wo ich fast immer gelebt habe, und die Klänge 'rauszufiltern und zu untersuchen, unter die Oberfläche des Klangs zu gehen."
Rebecca Saunders beim Komponieren | Bildquelle: © EvS Musikstiftung Rebecca Saunders schreibt vor allem Instrumentalmusik. Dabei kriecht sie tief hinein in musikalische Randzonen. Oft stellt sie dabei ein Instrument ins Zentrum, mal den Kontrabass, immer wieder die Trompete (ihr eigentliches Lieblingsinstrument) oder die Geige. Aber auch ungewöhnliche Instrumente sind darunter: "Bite" für Bassflöte etwa oder "Aether" für Bassklarinettenduo. 2018 wurde ihr Kontrabasskonzert "Fury II" in Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern aufgeführt.
Ich kann immer arbeiten. Ich setze mich hin und ich arbeite.
Mit welcher Achtsamkeit sie sich einzelnen Instrumenten und Künstlern widmet, ist einzigartig. Dem niederländischen Trompeter Marco Blaauw etwa hat Saunders gleich fünf Stücke gewidmet: aufgefächerte Klänge, anhand verschiedenster Spieltechniken bis ins Feinste ausdifferenziert. Wenn Rebecca Saunders mit ihrer forschenden Klangsprache nicht ohnehin längst im Olymp der zeitgenössischen Komponistinnen und Komponisten angekommen ist, dann spätestens jetzt.
Der Ernst von Siemens Musikpreis gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen im Bereich der Musik. Die seit 1973 jährlich verliehene Auszeichung geht an Interpreten, Komponisten oder Wissenschaftler, die sich insbesondere um die Neue Musik verdient gemacht haben. Zu den Preisträgern zählen bislang Benjamin Britten, Hans Werner Henze, Helmut Lachenmann, Per Nørgård, Nikolaus Harnoncourt, Michael Gielen, Anne-Sophie Mutter und Mariss Jansons. Insgesamt vergibt die Stiftung in diesem Jahr rund 3,5 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern.
Die Preisverleihung findet am 7. Juni im Münchner Prinzregententheater statt. Ab 19.30 Uhr gibt es die Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises 2019 live als Videostream. Die Veranstaltung können Sie hier mitverfolgen.
Sendung: "Leporello" am 07. Juni 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK