Sie hat chinesische, indische, schwarzafrikanische und sogar schottische Wurzeln; ihr Vater stammte aus der Karibik und hat als Zeitungsverkäufer in New York gearbeitet. Dort wurde Reri Grist geboren. Als sie Bernstein vorsingt, engagiert er sie sofort. Seine Fürsprache öffnet ihr viele Türen. Sie ist die erste afroamerikanische Sängerin mit einem Festvertrag an einem europäischen Opernhaus, in Zürich, und startet von dort ihre Weltkarriere. Jetzt wird Reri Grist 90 Jahre alt – eigentlich wie Gioacchino Rossini am 29. Februar. Weil es den heuer nicht gibt, gratulieren wir ihr schon heute.
Bildquelle: Escuela Superior de Música Reina Sofía (via YouTube)
Reri Grist wusste schon sehr früh, worauf es auf der Bühne ankam. Sie hatte das Musiktheater im Blut. So wie es die ganze Familie im Blut hatte – ohne musikalische Bildung im klassischen Sinn. Denn niemand in ihrer Familie hat ein Instrument gespielt. Niemand hat Oper oder so genannte klassische Musik gehört. "Es gab nur Radio und sehr spät Fernsehen. Aber meine Eltern waren sehr musikalisch. Meine Mutter hatte eine ganz süße kleine Stimme … die alles machen konnte. Und sie sang nur für sich selber. Wenn sie gewusst hat, dass jemand zuhört, hat sie aufgehört", so die Sängerin.
Schon als Kind ist Reri Grist am Broadway zu Hause. Zunächst am Sprechtheater, dann lernt sie steppen, nimmt Ballett- und Gesangsunterricht – und als sie sich für eine Bühnenkarriere entscheidet, ist sie schon längst mittendrin und meinte: "Ich hab’s einfach getan."
I was ready when the moment came.
"The moment" – das ist die Begegnung mit Leonard Bernstein. Er wünscht sich Reri Grist für die Uraufführung seiner "Westside Story" als Consuelo – eine kleine Rolle mit einem großen Lied: "Somewhere".
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"Somewhere" from West Side Story at Gypsy of the Year 2007
Doch immer wieder erklärt sie dem großen Dirigenten, dass sie auch was anderes singen kann - bis er zwischen zwei Vorstellungen der "West Side Story" mit ihr in die Carnegie Hall geht. Nach dem Vorsingen engagiert Bernstein sie auf der Stelle für seine Aufnahme von Mahlers vierter Symphonie. Weitere Projekte folgen – mit Bernstein, mit Nadja Boulanger, Michael Gielen und Pierre Boulez. Und mit Igor Strawinsky.
Bildquelle: picture-alliance/dpa Singen, spielen und tanzen – für das Bühnentalent Reri Grist gehört das zusammen. Und sie ist nicht auf ein Genre festgelegt: Sie gibt eine hinreißend kratzbürstige Aminta, einen frechen und doch sehr charmanten Oscar - und eine bedingungslos liebende, zu Tränen rührende Gilda, mit Koloraturen wie aus gesponnenem Glas.
Zürich, Glyndebourne, Salzburg, Covent Garden, Wien und die MET - Reri Grist macht Weltkarriere, aber sie hebt nicht ab. Demut vor der Musik und Bescheidenheit zeichnen sie aus – und Dankbarkeit für beglückende künstlerische Begegnungen. Wie die mit Günther Rennert und Wolfgang Sawallisch an der Bayerischen Staatsoper, der sie über zwei Jahrzehnte die Treue hält – erst als Sängerin und dann als Professorin an der Musikhochschule.
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Reri Grist Masterclass - Singing - Verdi: Falstaff - Sul fil d'un soffio etesio
Mittlerweile lebt Reri Grist mit ihrem Mann in Hamburg. Geburtstag feiert sie zusammen mit Gioacchino Rossini. Auch der ist ein Opfer des Schaltjahrs. Das passt, sagt sie: "Ich koche sehr gerne. Und er war auch ein sehr guter Koch, hab‘ ich gehört und gelesen." Und mit ihrem Lebensmotto ist Reri Grist immer gut gefahren: "Ich hab einfach nie gefragt: Soll ich das oder soll ich das nicht? Kann ich das oder kann ich das nicht? Ich hab’s einfach probiert. Und das ging, glaub‘ ich, ein Leben lang."
Ich hab's einfach probiert. Und das ging, glaub‘ ich, ein Leben lang.
Sendung: "Allegro" am 28. Februar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK