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Kommentar zur Entscheidung über die Zukunft des Richard-Strauss-Festivals Versöhnung durch Verzwergung?

Zuletzt stand das krisengeplagte Richard-Strauss-Festival zu Ehren des berühmten Komponisten aus Garmisch-Partenkirchen schwer in der Kritik: Erst beachtliche finanzielle Defizite in den vergangenen Jahren, dann Absage wegen Corona. Vor kurzem trat auch noch der künstlerische Leiter Alexander Liebreich von seiner Funktion zurück. Nun fiel am Donnerstag nach einer langen und anstrengenden Diskussion im Garmischer Gemeinderat endlich die Entscheidung, wie es mit dem Festival weitergehen soll.

Richard-Strauss-Festival in Garmisch-Partenkirchen | Bildquelle: picture-alliance/dpa/Montage BR

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Dominik Sedivy klingt so erleichtert wie erschöpft, als er sich am späten Abend meldet. Hitzig sei es zugegangen im Stadtrat, erzählt der Chef des Richard-Strauss-Instituts, doch immerhin sei nun klar, dass es weitergehe mit dem Richard-Strauss-Festival in Garmisch. Irgendwie zumindest. In abgespeckter Form. Und unter anderem Namen. Aus einem "Festival" werden "Tage". Ein Neustart in aller Bescheidenheit.

Vor drei Jahren, so lange ist der letzte Festivalneustart gerade mal her, klang das noch ganz anders: "Top Music at top Locations" war die Losung, die damals ausgegeben wurde. Ein Motto wie aus dem Katalog, das von Alexander Liebreich, der das Festival 2018 erstmals kuratierte, allerdings auch eingelöst wurde. Hoch hinaus ging's im Wortsinn. Sogar bis auf die Zugspitze. Und beim Personal wurde auch nicht gegeizt: Die Akademie für Alte Musik Berlin, der Pianist Piotr Anderszewski oder die Sopranistin Asmik Grigorian – sie alle waren bei der letztjährigen Ausgabe mit dabei. Da konnte selbst Salzburg neidisch werden.

Ein Festival für die "Großkopferten" aus München?

Aber Salzburg ist eben Salzburg. Eine Stadt, die ihre Festspiele, das Sommersocietytheater in barocker Kulisse, umarmt. Und das aus guten, und das heißt hier vor allem: aus ökonomischen Gründen. Wogegen sich gerade die in Garmisch nicht einstellen wollten. Ein Gemeinderat sprach mit Blick auf das Strauss-Festival sogar von einem "Millionengrab". Tatsächlich gehen die Defizite der vergangenen Jahre in die Hunderttausende. Das Festival in seiner derzeitigen Form weiterzuführen, sei der Bevölkerung daher schlicht nicht mehr vermittelbar gewesen, betont Dominik Sedivy. Ein Festival für die "Großkopferten" aus München, für das die Garmischer zahlten – so sei der Tenor im Markt. Offenbar ein Kommunikationsproblem. Und nicht nur zwischen Festivalmarketing und Bevölkerung.

Als Festivalleiter wartete Liebreich drei Jahre lang auf seinen Vertrag

Alexander Liebreich  | Bildquelle: © Sammy Hart Gab Ende Juli die Leitung des Richard-Strauss-Festivals auf: Dirigent Alexander Liebreich | Bildquelle: © Sammy Hart

Es wäre zu einfach, dem scheidenden künstlerischen Leiter Alexander Liebreich daran die Schuld zu geben. Immerhin hat Liebreich seine Pläne von Anfang an offen auf den Tisch gelegt. Ja, er wurde sogar deswegen verpflichtet. Sah sich im Lauf der Jahre allerdings mit einer zunehmend reservierten, um nicht zu sagen inexistenten Kommunikationsbereitschaft seitens der Kommune konfrontiert. So hatte der Dirigent zum Beispiel drei Jahre lang auf einen Vertrag gewartet. Ohne Ergebnis. Außerdem auf die Einrichtung eines Betriebsbüros, das die Verwaltung der Kosten übernehmen sollte. Das kam auch. Allerdings just in dem Moment, als Liebreich die Segel strich. Garmischer Sommertheater eben.

Das Richard-Strauss-Festival

Das einwöchige Richard-Strauss-Festival fand seit 1989 jährlich in Garmisch-Partenkirchen statt. Es widmete sich schwerpunktmäßig dem Repertoire des Komponisten, der hier seine Wahlheimat fand. Vor allem für Strauss-Kenner war dieses Festival bis dato ein absoluter Höhepunkt. Von 2009 bis 2017 war die Sängerin und Regisseurin Brigitte Fassbaender künstlerische Leiterin des Richard-Strauss-Festivals, 2018 übernahm Alexander Liebreich. Die organisatorische Umsetzung erfolgte seit 2009 durch das Richard-Strauss-Institut.

Neu: kleineres Budget, Nachwuchskünstler statt Stars, mehr Bürgernähe

Den Schaden trägt nun das Festival selbst. Beschlossen wurde am Donnerstag (20.08.2020) ein Konzept, das Dominik Sedivy zufolge dazu taugt, das Festival "mit der Gemeinde zu versöhnen". Mit Blick auf die Pläne könnte man auch unken: Versöhnung durch Verzwergung. Von den 330.000 Euro, die jährlich von der Gemeinde kommen, steht dem Festival im kommenden Jahr nur ein Drittel zur Verfügung. Und dieses Budget verteilt sich auch noch auf drei Events. Neben den verkürzten Richard-Strauss-Tagen, sollen davon auch noch die Herrmann-Levi-Tage sowie ein Rossini-Wochenende finanziert werden. Klar, dass da statt Stars eher der künstlerische Nachwuchs zum Zuge kommen wird. Außerdem gilt die Regel: Alle Veranstaltungen bleiben innerhalb der Ortsgrenzen. Ausflüge nach Ettal oder auf die Zugspitze, die Alexander Liebreich eingeführt hatte, sind also schonmal ausgeschlossen. Versöhnlich soll die Garmischerinnen und Garmischer übrigens nicht nur die Kürzung des Festivalbudgets stimmen. Mehr Bürgernähe lautet außerdem das erklärte Ziel. Und dabei soll das Rossini-Festival eine entscheidende Rolle spielen. Immerhin sei Rossini sehr viel zugänglicher als Strauss, so Sedivy.

Ein neues Gesicht für das Festival in Garmisch-Partenkirchen

Das klingt auf den ersten Blick ein bisschen beliebig. Warum dann nicht gleich Heimatsound? Oder eine Tombola? Auf den zweiten Blick steckt aber gerade in dieser etwas seltsamen Neuerung das Potential, auch den Richard-Strauss-Tagen wieder ein neues Gesicht zu geben. Immerhin könne man so von Kontakten ins italienische Pesaro profitieren, erzählt Sedivy. Das dortige Rossini-Festival genießt einen internationalen Ruf, gilt als Mekka für junge Belcanto-Stimmen. Pesaro also als Modell für ein neues Richard-Strauss-Festival – ein Nachwuchsschaulaufen im Fach deutscher Gesang? Noch ist es weniger als ein Plan, nur eine Idee. Aber: Das wäre was. Auf jeden Fall mehr als Verzwergung.

Sendung: "Leporello" am 21. August 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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