Pesaro – vielen gilt die italienische Stadt an der Adriaküste als das Bayreuth Rossinis. Am 9. August 2022 feierte dort "Le Comte Ory" Premiere. In der Titelrolle: Festivalleiter Juan Diego Flórez, der den draufgängerischen Grafen schon 2003 gesungen hatte – und seither kaum gealtert zu sein scheint.
Während die Männer in den Kreuzzug gezogen sind und die zu Hause gebliebenen Frauen Keuschheitsgelübde abgelegt haben, versucht Graf Ory sie zu verführen. Vor allem begehrt er die Comtesse. Zunächst verkleidet er sich dazu als Eremit, dann als Nonne. Das letzte Ziel der Tugend ist letztlich die Wollust, meinte schon der Philosoph Michel Montaigne.
Juan Diego Flórez, seit diesem Jahr neben "Sovrintendente" Ernesto Palacio nun auch künstlerischer Leiter des Festivals in Pesaro, hat Rossinis vorletzte, 1828 in Paris uraufgeführte, recht frivole französische Oper als Eröffnungspremiere des diesjährigen Festivals gewählt. Rossini hat in "Le Comte Ory" vielfach Musik aus seiner Oper "Viaggio a Reims" wiederverwertet, ein Werk, das er zur Krönung des französischen Königs Karls X. komponierte und das auch heuer, wie jedes Jahr, von der Rossini-Akademie aufgeführt wird.
Dabei steht ihm Julie Fuchs sowohl sängerisch als auch kömödiantisch als Gräfin keineswegs nach. Doch auch Maria Kataeva in der Hosenrolle des Isolier beeindruckt überaus. Diego Matheuz und das Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai präsentieren lustvoll diesen späten Rossini, eine fast kühl und effektvoll kalkulierende Komposition – ja manchmal scheint fast schon Jaques Offenbach vorweggenommen.
Zwar sind alle 39 Opern Rossinis nun in Pesaro ediert und gespielt worden, aber nach wie vor bewährt sich das Festival in Rossinis Geburtsstadt als Ort, in dem sein Werk exemplarisch aufgeführt und diskutiert wird. "Le Comte Ory" 2022 ein eindrucksvoller Neustart in Rossinis Bayreuth.
Sendung: "Allegro" am 10. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK.