"Fußgänger der Lüfte" wurde Juan Diego Flórez von deutschen Kritikern schon genannt. Am 13. Januar feiert er seinen 50. Geburtstag. Auch wenn es sich so anhört, als sei Florez' Stimme im Belcanto zu Hause: Dieser anspruchsvolle Gesangsstil wurde dem peruanischen Tenor nicht in die Wiege gelegt.
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Der Tenor Juan Diego Flórez
"Ich wollte Popsänger werden"
Er ist einer, der das Schwierige leicht erscheinen lässt. Juan Diego Flórez, geboren 1973 in Lima, ist Spezialist für den Belcanto, jenen höchst anspruchsvollen Gesangsstil, der als Markenzeichen der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts gilt und von Koloraturen und virtuosen Ausschmückungen nur so strotzt. Verknüpft ist dieser Stil vor allem mit drei Komponisten: Bellini, Donizetti und Rossini.
Der Belcanto wurde Juan Diego Flórez nicht in die Wiege gelegt, obwohl er in einer musikalischen Familie aufwuchs und der Vater in Peru ein bekannter Volkssänger war. Juan Diego wollte eigentlich Popsänger werden. Mit 15, 16 Jahren schrieb er eigene Lieder und sang sie in Pianobars, im Fernsehen und bei Festivals. Doch dann ging er ans Konservatorium und fing ein Musikstudium an.
Ich begann, meine Stimme zu entdecken und sie ausbilden zu lassen. Und plötzlich war alles anders.
Mit 23 Jahren trat Juan Diego Flórez ins Rampenlicht: 1996 sprang er beim Rossini-Festival im italienischen Pesaro kurzfristig für einen erkrankten Kollegen ein, als Corradino in Rossinis Oper "Matilde di Shabran". Er habe da nicht zwei Mal überlegt und Ja gesagt, erzählt Flórez. Erst später wurde ihm klar: "Du lieber Gott, das ist ja eine sehr schwere Oper! Die Partie liegt extrem hoch, ich bin fast die ganze Zeit auf der Bühne, ich muss auch fast die ganze Zeit singen." Eine Herausforderung, eine große Chance, und der Durchbruch.
Danach folgten Engagements auf der ganzen Welt: von Mailand, Salzburg und Wien über Paris und London bis nach New York. Sein Repertoire erweiterte Juan Diego Flórez dagegen nur vorsichtig. Er spezialisierte sich auf den Belcanto, insbesondere auf Rossini. Und nicht nur, weil dessen Musik seinen stimmlichen Möglichkeiten entgegenkommt. "Bei ihm gibt es ganz unterschiedliche Typen. Zum einen realistische Figuren wie Otello, zum anderen sehr klassische, statische Figuren wie in 'La Donna del Lago', aber auch komische Figuren, für die man sehr viel schauspielen muss."
Er lässt das Schwierige leicht erscheinen: Der peruanische Tenor Juan Diego Flórez. | Bildquelle: Gregor Hohenberg Eine musikalische Ausnahme macht er lediglich 2007 für eine Aufnahme von Volksliedern aus seinem Heimatland: "Sentimiento Latino". Eine Hommage an den Vater - und eine Zeitreise in die eigene Jugend. Einige der Lieder hat er selbst früher in den Bars und Cafés seiner Heimatstadt Lima zum Besten gegeben. Auf klassischem Boden wagt sich Flórez erst in den letzten Jahren auf neues Terrain. Er widmet sich verstärkt der französischen Romantik. Nimmt Meyerbeer, Berlioz und Bizet ins Programm. Der Grund: So wie sich der Körper verändere, wenn man älter wird, so werde auch die Stimme anders, so Flórez. "Die Stimme wird dunkler. Ich kann noch immer die Rossini-Partien für Tenor singen. Aber in der Mitte ist meine Stimme breiter geworden. Seitdem fühle ich mich im romantischen Repertoire wohler. Und da vor allem im französischen Repertoire."
Das Repertoire der natürlichen Entwicklung der Stimme anpassen: Für Juan Diego Flórez liegt darin das Geheimnis jener Leichtigkeit, für die sein Gesang so oft gepriesen wird. 2020 sorgt er für eine Sternstunde bei den Salzburger Festspielen in der Reihe "Canto lirico". Zu erwarten ist also, dass dem "Fußgänger der Lüfte" - wie ihn die Kritik einst wegen seiner schwerelosen Koloraturen genannt hat - auch bei sinkender Flughöhe der Aufwind nicht abreißt.
Sendung: "Klassik-Stars" am 13. Januar 2023 ab 18:05 Uhr auf BR-KLASSIK