Das Royal Opera House in London leidet schwer unter der Corona-Krise. Die Versteigerung eines Hockney-Gemäldes soll die finanziellen Verluste ausgleichen. Und falls das nicht reicht? Peter Jungblut hätte da noch ein paar weitere Ideen ...
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Was ist das Wertvollste in einem Opernhaus? Natürlich die Stimmen, aber die sammelt bekanntlich kaum jemand, außer Professor Higgins, der fanatische Phonetiker aus "My Fair Lady", und der war ja schon bei der Uraufführung 1956 nicht mehr ganz jung. Also kommt er kaum in Frage, ein oder zwei hohe Cs zu ersteigern und damit die Geldnöte der Londoner Oper Covent Garden zu mildern, zumal die wertvollen Stimmen dort gerade sowieso verstummt sind.
Mangels Einnahmen hängte die Direktion in ihrer Verzweiflung gerade ein Gemälde von David Hockney von der Wand und trug es zum Auktionator. Es soll rund zwanzig Millionen Euro einbringen und zeigt den langjährigen Intendanten David Webster auf einem Freischwinger sitzend vor einem schicken Glastisch mit einer Vase drauf, in der ein üppiger Strauß rotweißer Tulpen steckt. Gut, die Möbel auf dem Bild hätte die Oper auch einzeln verscherbeln können. Webster und die Tulpen dürften inzwischen etwas unansehnlich geworden sein. Aber was bringen ein Freischwinger, ein Glastisch und eine Vase im Vergleich zu einem Hockney? Ganz abgesehen davon, dass die Zahlungsmoral bei Christie's sicher besser ist als bei Ebay.
David Webster, der Covent Garden bis 1970 leitete, legt auf dem Porträtbild übrigens die Hände in den Schoß und schaut in die Ferne, wo er, seinem traurigen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, die Ränder an der Wand sieht, die der Verkauf des Bildes hinterlässt. Schade, dass das Bühnenbild von David Hockney für "Frau ohne Schatten" aus dem Jahr 1992 wohl schon zum Wertstoffhof ging, sonst hätte das in Covent Garden auch noch ein paar warme Mittagessen finanzieren können. Wer die britischen Theater von innen kennt, der weiß: Außer den Gemälden und den Popcorn-Maschinen gibt es dort sonst wenig Verwertbares, und die Feuerlöscher und die Parkplätze werden wohl als letztes verscherbelt.
Vielleicht kommen sie dort ja demnächst auf die Idee, Rasierklingen von Jonas Kaufmann oder Puderquasten von Anna Netrebko zu versteigern, mit dem Reliquienhandel haben sich ja schon viel größere Herrschaftsbereiche als Covent Garden saniert. Grundsätzlich könnte die Londoner Oper natürlich auch ein paar Regiekonzepte in Zahlung geben, vorausgesetzt, der Pfandleiher erkennt die Stücke wieder, aber das ist in Großbritannien ja grundsätzlich leichter als hierzulande. Noten dagegen sind im Kurs stark gefallen, Schlüssel schon eher gesucht, aber nur die zum Kostümfundus. Kann durchaus sein, dass in London demnächst babylonische Verwirrung herrscht, weil die Oper ihre Nabucco-Outfits losschlagen muss. Alternativ kann das Haus die Oxford Street mit ein paar Fuhren Tutus fluten, die Zukunft des Musiktheaters liegt ja sowieso irgendwo zwischen "Tüll und Tränen". Sollten Sie sich für den Hockney interessieren: Kaufen Sie doch lieber die Oper, da passen mehr Vasen rein, ehrlich!
Sendung: "Allegro" am 9. Oktober 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK