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Kritik - "Poppea" in Salzburg Zeitlose menschliche Performance

Am 12. August hatte die Salzburger "Poppea" Premiere. Auf der Bühne stand ein Star-Ensemble, mit Sonya Yoncheva und Kate Lindsey als Herrscherpaar Poppea und Nero. Die musikalische Leitung lag bei William Christie - einer Autorität in Sachen Alte Musik. Für die Regie war der Belgier Jan Lauwers zuständig. Ein Theatermacher, der gerne Bildende Kunst aber auch Tanz und Performance miteinander verbindet.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Kritik: Monteverdis "L'incoronazione di Poppea" in Salzburg

Zeitlose menschliche Performance

Da stehen sie am Ende, Nerone und Poppea, und singen von ihrer Liebe. Wie wenig sie sich noch über den Weg trauen, nach so viel Leichen, Intrigen und Machtspielchen, das wissen sie wohl selbst nicht. Kate Lindsey als Kaiser Nero und Sonya Yoncheva als Poppea trennt zunächst die ganze Bühne im "Haus für Mozart". Zu viel haben sie voneinander gesehen, Schlimmes, Garstiges. Ganz am Ende erst nimmt die amerikanische Mezzosopranistin Lindsey seine/ihre neue Kaiserin Poppea dann doch in den Arm, küsst sie inniglich und man denkt: Ja, möge doch etwas gut sein und gut gehen in dieser inhumanen Monteverdi-Oper "L'Incoronazione di Poppea".

Üppige Continuo-Besetzung

Szenenbild: "L’incoronazione di Poppea" von Claudio Monteverdi bei den Salzburger Festspielen 2018 | Bildquelle: Maarten Vanden Abeele Renato Dolcini, William Christie am Cembalo | Bildquelle: Maarten Vanden Abeele Pustekuchen. Monteverdis letzte Oper von 1642 ist kein Stück zum Zurücklehnen und Genießen, auch wenn die Musik mit ihrer streckenweise überirdischen Schönheit einem das gern vorgaukelt. Alte-Musik-Guru William Christie und sein Ensemble Les Arts Florissants leben die ganze Bandbreite von Monteverdis "Poppea"-Partitur aus. In zwei Teilen sitzt das Ensemble fast mit auf der Bühne. Die Melodieinstrumente lassen sich an einer Hand abzählen, die beiden Continuo-Gruppen sind üppig und variabel bestückt und begleiten die Sänger wie bei einem Kammermusikabend. Christie selbst spielt eines der Cembali und gibt nur selten Dirigier-Impulse. Die musikalische Dramaturgie dieser "Poppea" ist klar gestrickt: Es agieren ausschließlich gleichberechtigte Künstler.

Hochvirtuoser Tanz

Ähnlich basisdemokratisch und unprätentiös denkt und arbeitet der Belgier Jan Lauwers in seinen Theaterkollektiven. Er hat aus dieser "Poppea" anstelle einer klassischen Inszenierung eine zeitlose menschliche Performance gemacht, dank der hochvirtuosen TänzerInnen der Salzburg Experimental Academy of Dance und des Bodhi Projects.

Die Inszenierung in Bildern

Endzeit-Atmosphäre

Wie in einer Art Körperkommentar bewegen sich die Tänzer auf der leeren Bühne, deren Boden unzählige verkrümmte Leichen wohl vergangener Konflikte formen. Was sie tanzen, wie sie sich bewegen, auch mit den Sängern gemeinsam, ist im besten Fall eine Entgegnung oder Verstärkung von Gefühlen, Subtexten oder Gedanken. Dann wird Lauwers' Konzept richtig stimmig, erweckt streckenweise eine gruselige, Hieronymus-Bosch-haft endzeitige Atmosphäre. Passiert der Tanz aber zu eigenständig, parallel oder gar nicht, gerät die Idee ins Wackeln, spaltet sich die Aufmerksamkeit und die Künste fallen auseinander. Ratlos bleibt man zurück, und konzentriert sich auf den Gesang.

Zorn, Vergeltungswut und Verzweiflung

Zumal das, was allen voran die drei tragenden Sopranistinnen Sonya Yoncheva, Stéphanie d'Oustrac und Kate Lindsey stimmlich und im szenischen Miteinander abliefern, keine Wünsche offen lässt. Yoncheva gibt eine sängerisch wendige, absolut stilsichere und emanzipierte Poppea, der man schon nach einer Sekunde glaubt, dass sie jedes ihrer Ziele erreichen wird. Die französische Sopranistin Stéphanie d'Oustrac als ihre Vorgängerin Ottavia hat da schnell das Nachsehen, auch wenn ihre Stimme glaubhaft von Zorn, Vergeltungswut und Verzweiflung kündet.

Dunkelste Farben und Schattierungen

Szenenbild: "L’incoronazione di Poppea" von Claudio Monteverdi bei den Salzburger Festspielen 2018 | Bildquelle: © Maarten Vanden Abeele Monteverdis "Poppea" in Salzburg - Szenenfoto | Bildquelle: © Maarten Vanden Abeele Ein wenig über allem steht der Nerone der äußerlich androgynen Kate Lindsey (bei den vielen guten Countertenören hatte man fast die magische Wirkung eines Mezzos in dieser Partie vergessen). Die Amerikanerin scheint ihre Stimme noch nach den dunkelsten Farben und Schattierungen abgesucht zu haben; faszinierend erotisch ist ihr Timbre, unglaublich variantenreich die Klangfarben, mühelos passt sie sich ihren männlichen und weiblichen Duettpartnern an, ohne an Eigenständigkeit zu verlieren. Eine beeindruckende Leistung, die durch die nie übertriebene szenische Laszivität und Schamlosigkeit noch mehr verdeutlicht, dass dieser Nero alles bekommt, was er will. Auch Poppea, und sei's auch nur zu seinem eigenen Vergnügen.

Monteverdis "Poppea" in Salzburg

Claudio Monteverdi:
"L'incoronazione di Poppea"
Neuinszenierung

Musikalische Leitung: William Christie
Regie, Bühne und Choreografie: Jan Lauwers

Premiere: 12. August

Details zu weiteren Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Salzburger Festspiele.

Sendung: "Allegro" am 09. August 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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