Der neue Corona-Teillockdown trifft vor allem die Kulturbranche hart. Für vier Wochen müssen Opern-, Theater- und Konzerthäuser wieder schließen. Das bereitet vielen Kulturschaffenden große Sorgen. Vor allem die Existenz der freiberuflichen Künstler ist gefährdet. Mit einer neuen Aktion reagieren Musiker auf den Kultur-Lockdown: #sangundklanglos. Jetzt soll die Stille sprechen.
Bildquelle: Matthias Schönhofer/dpa
Beim ersten Lockdown haben viele Künstler den Weg ins Netz gesucht und sind dort aufgetreten. Eine Alternative, wenn auch eine Notlösung. Diesmal soll es anders laufen. Jetzt, wo das kulturelle Leben erneut zum Erliegen kommt, wollen Musiker mit Stille ein Zeichen setzen. Denn gerade für die freischaffenden Künstler spitzt sich die Lage zu.
Mehrere Orchester und Ensembles wollen am Montagabend auf die Not der Künstler aufmerksam machen - unter dem Hashtag #sangundklanglos. Es soll Konzertauftritte bzw. Videos davon geben, bei denen die Musiker nicht spielen, sondern nach 20 Minuten Stille wieder abtreten. Die Idee zu der Initiative hatten die Münchner Philharmoniker, unterstützt wird sie vom Bündnis #AlarmstufeRot. Auch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wird sich daran beteiligen, ebenso die Bayerische Staatsoper, die Staatskapelle Berlin und viele weitere Orchester.
Es ist ein Aufschrei einer Branche, die viel zu wenig Stimme bekommen hat.
Mit der Aktion wollen die Musiker auf die prekäre Lage der Kulturschaffenden aufmerksam machen. "Uns ist total klar, dass ganz große Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung her müssen", sagt Anne Schoenholtz vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Die Politiker hätten aber zu wenig Ahnung von den Bedürfnissen der Kunst- und Kulturbranche und der finanziellen Situation freiberuflicher Musiker. Denen müsse nun stärker unter die Arme gegriffen werden. Die Aktion soll den Austausch zwischen Kultur und Politik anstoßen.
Wir wünschen uns eine Kommunikation zwischen Politikern und Künstlern.
Denn genau dieser Austausch habe in all den Monaten der Pandemie bislang nicht stattgefunden. "Die Hygienemaßnahmen wurden uns vor die Nase gesetzt", sagt Schoenholtz. "Man hat sich hervorragend daran gehalten. Das hat sehr gut funktioniert. Und jetzt ist das eigentlich wortlos alles gekappt worden. Da fehlt einfach der Dialog."
Viele Kulturschaffende sehen inzwischen nicht nur die Existenz freischaffender Künstler gefährdet, sondern die gesamte Kulturbranche. Es herrscht wenig Verständnis dafür, dass ausgerechnet Opern-, Theater-, und Konzerthäuser für mindestens vier Wochen alle Türen schließen sollen, während das öffentliche Leben in vielen anderen Bereichen weitergeht. Man verweist auf gründlich ausgearbeiteten Hygienekonzepte, große Säle und moderne Lüftungsanlagen. Auch Anne Schoenholtz meint, dass der Konzertsaal selbst ein sicherer Ort sei als der Weg dorthin. Daher sollte gerade bei den öffentlichen Verkehrsmitteln angesetzt werden.
Es muss jetzt ein größerer Schritt seitens der Politik passieren.
Die meisten Musiker in den großen Orchestern sind festangestellt. Sie haben es im Vergleich zu ihren freischaffenden Kollegen in der Krise deutlich einfacher. Umso wichtiger sei es aber, sich mit den Freiberuflern solidarisch zu zeigen, findet Anne Schoenholtz. "Die Künstler haben bislang sehr viel eingesteckt – wie andere Branchen auch. Aber man möchte einfach gesehen werden. Und manche sind schon jetzt so verschuldet, dass sie da eigentlich nicht mehr rauskommen werden." Auf diesen Notstand wollen die Musiker mit ihrer Aktion "20 Minuten Stille" aufmerksam machen.
Sendung: Leporello, 2. November 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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