Der regimekritische Regisseur Kirill Serebrennikov ist ein Star im russischen Kulturleben, bei der politischen Führung ist er nicht beliebt. Jetzt wurde die Uraufführung seiner Ballettinszenierung über den legendären Tänzer Rudolf Nurejew im Moskauer Bolschoi-Theater kurz vor der Premiere abgesagt. Das Stück "Nurejew" sei noch nicht aufführungsreif, sagte Generaldirektor Wladimir Urin am Montag. Es sei aber nicht abgesetzt, sondern die Premiere werde auf Mai 2018 verschoben.
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Eigentlich hätte die Weltpremiere von "Nurejew" am 11. Juli stattfinden sollen. Am 7. Juli habe es eine erfolgreiche Generalprobe gegeben, an deren Ende die Tänzer dem Regieteam applaudierten - so berichten an der Produktion beteiligte Künstler. Trotzdem verkündete Generaldirektor Wladimir Urin den Künstlern am Tag darauf die Absage der Premiere. Der Regisseur Kirill Serebrennikov sagte, mit ihm sei dies nicht abgesprochen gewesen.
Das Werk über Tänzer Rudolf Nurejew, der nach einem ausschweifenden und exzentrischen Leben mit nur 54 Jahren an Aids starb, sollte auch Seiten seines Lebens zeigen, die in Russland als anstößig gelten: seine Emigration in den Westen und seine Homosexualität. Vorsorglich hatte das Bolschoi die Aufführung mit einer Altersbegrenzung ab 18 Jahren versehen. In Russland sorgt seit längerem ein neuer Gesetzesparagraf für Diskussionen, der es verbietet, gegenüber Kindern und Jugendlichen Homosexualität zu erwähnen.
Der Generaldirektor des Bolschoi-Theaters Wladimir Urin gab als Begründung für die Absage an, dass das Stück nicht aufführungsreif gewesen sei. Trotzdem lässt Urin durchblicken, dass wohl in der angeblichen "Homosexuellen-Propaganda" der wahre Grund für die Absetzung liegt: "Mir war sehr bewusst, dass dieses Thema vorkommen würde, das bei vielen Leuten Unverständnis hervorruft." Auch im Ensemble des Theaters zeigt man sich wenig überzeugt von der offiziellen Begründung des Theaters. Niemand gehe außerdem davon aus, dass "Nurejew" jemals tatsächlich aufgeführt werden würde.
Rudolf Nurejew 1967 mit seiner Tanzpartnerin, der britische Primaballerina Margot Fonteyn | Bildquelle: picture-alliance/dpa Schon vor einigen Jahren geriet Regisseur Serebrennikov mit den Behörden in Konflikt: Als er einen Film über Peter Tschaikowsky drehen wollte, verlor er die staatliche Filmförderung, weil er die Homosexualität des Komponisten thematisieren wollte.
Im Mai dieses Jahres ereilte Serebrennikov ein weiterer herber Schlag: Ermittler durchsuchten das Gogol-Theater, dem Serebrennikov als Künstlerischer Leiter vorsteht, sowie die Wohnung des Regisseurs. Die Behörden gingen dem Verdacht nach, eine von Serebrennikov gegründete Firma habe zwischen 2010 und 2014 staatliche Gelder in Höhe von 200 Millionen Rubel, etwa drei Millionen Euro, zweckentfremdet. Die Fahnder behaupten, die Inszenierung von Shakespeares "Sommernachtstraum", für die Serebrennikov öffentliche Fördergelder genutzt hatte, sei nie auf die Bühne gekommen. Auf seiner Facebookseite schrieb Serebrennikov dazu, die "staatliche Auftragsinszenierung" sei "15 Mal in Moskau gespielt und dann als Gastspiel in Paris und Riga gezeigt worden. Und jetzt sagen die Beamten vom Staatlichen Ermittlungskomitee, dass es das niemals gegeben hat."
Serebrennikov wurde im Mai mehrere Stunden als Zeuge verhört. Gegen drei seiner Mitarbeiter wurde Untersuchungshaft oder Hausarrest verhängt. Serebrennikov selbst kritisierte die Veruntreuungsvorwürfe als "monströse Ungerechtigkeit". In der russischen Kulturszene wird das Vorgehen der Behörden als Versuch gewertet, den kritisch eingestellten Künstler einzuschüchtern.
Schon zu Sowjet-Zeiten gab es politische Eingriffe an den Theatern des Landes: So verbot man beispielsweise in den 30er-Jahren am damaligen Leningrader Theater die Aufführung von Schostakowitschs Ballett "Der Bolzen", auch eine "Schwanensee"-Inszenierung am Bolschoi-Theater geriet in Missgunst des sowjetischen Kulturministeriums. Doch "selbst in der totalitären Sowjetunion gab es so etwas nicht drei Tage vor der Premiere", so die kritische russische Zeitung "Nowaja Gaseta".
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